Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen
Mouse – aus reiner Freude darüber, daß sie einen so abseitigen Vorwand hatte, um das Schweigen zwischen ihnen zu brechen. Doch Mouse war nicht zu Hause.
Wo konnte er sein? In der Gärtnerei? Ein weiterer Anruf erbrachte dasselbe Resultat. Herrgott, es war doch Samstag – warum sollte die Gärtnerei an einem Samstag geschlossen sein? Was, zum Kuckuck, war denn los?
Im anderen Zimmer quäkte der Türsummer. Sie stand auf und ging zu der uralten, von verkrusteten Farbschichten gnädig verhüllten Gegensprechanlage. »Ja?«
»Mona Ramsey?«
Sie zögerte einen Augenblick. »Wer will das wissen?«
»Eine Freundin von Serra Fox. Sie hat mir Ihre Adresse gegeben. Ich habe versucht, Sie anzurufen …«
»Moment mal.« Mona rannte ans Fenster. Unten vor dem Eingang stand eine elegant gekleidete Brünette, die ganz danach aussah, als könnte sie eine Freundin von Serra sein. Die Lippenstiftlesben waren auf dem Vormarsch.
Mona ging wieder an die Gegensprechanlage. »Geht es um Geld?«
Die Frau kicherte dezent. »Nicht so, wie Sie vielleicht denken. Ich werde Ihre Zeit nicht lange in Anspruch nehmen, Miss Ramsey.« Sie hatte einen britischen Akzent.
Mona zählte bis zehn und drückte auf den Türöffner.
Privatsammlung
Brian stellte zu seiner Überraschung fest, daß er an Mona Ramsey dachte, als er mit Mary Ann in Hillsborough eintraf, wo Theresa Cross ihre Versteigerung abhielt. 1977 hatten er und Mona während einer kleinen, nicht sehr ernst gemeinten Affäre eine Vorliebe für drei Dinge geteilt: Die Filme Harold und Maude und King of Hearts – und die LP Denim Gradations von Bix Cross.
Monas Lieblingssong auf der Platte war »Quick on My Feet« gewesen. Brian hatte »Turn Away« mehr nach seinem Geschmack gefunden. Und hier, zum Greifen nahe, schimmerte nun die Platinscheibe, die den Erfolg des Albums dokumentierte.
»Sieh dir das an«, flüsterte Mary Ann, als sie im Privatkino des verstorbenen Rockstars an den trophäenbeladenen Tischen entlanggingen. »Sogar die Hausbar hat sie geplündert.« Sie nahm eine leere Flasche Southern Comfort in die Hand.
Brian las das Kärtchen, das daran befestigt war. »Ja, aber er hat sie mit Janis Joplin geteilt.«
»Was soll’s«, murmelte seine Frau. »Ist das so wichtig?«
Suchte sie etwa Streit? Ihm war es wichtig. Das wußte sie doch genau. »Es ist ein Stück Geschichte«, sagte er schließlich. »Für einige jedenfalls …«
Sie gab einen mürrischen Laut von sich und ging weiter. »Und das da?« Sie zeigte auf einen kaputten Toaster. »Ist das auch ein Stück Geschichte?«
Der neckische Ausdruck in ihren Augen hinderte ihn daran, zornig zu werden. »Wenn hier der Nachlaß von Karen Carpenter unter den Hammer käme, wärst du garantiert der Meinung.«
Ihr Blick verdüsterte sich. »Das war gemein, Brian.«
Er lachte zufrieden in sich hinein.
»So ein großer Fan von ihr war ich gar nicht.«
Er zuckte mit den Schultern. »Du hast ihre Platten gekauft.«
Mit einem genervten Stöhnen wandte sie sich einer Schachtel voll Plastikgabeln zu. »Eine Platte hab ich gekauft. Komm mir nicht so von oben herab.«
Die Debatte wurde beendet durch das Eintreffen der Gastgeberin. Sie rauschte herein in schwarzem Angorapullover und schwarzer Stretchhose. Mary Ann stieß Brian mit dem Ellbogen an. »Trauerkleidung«, flüsterte sie.
»Hallo, Leute!« rief die Rockwitwe und kam mit energischen Schritten auf die beiden zu.
»Hallo«, echote Mary Ann. Sie flötete es beinahe. Trotz ihrer spitzen Bemerkungen war sie von Theresa Cross eingeschüchtert. Brian merkte es immer an ihrem Tonfall – und fühlte sich ihr jedesmal noch näher.
»Ist Ihre Crew schon da?« fragte Theresa.
»Kommt jeden Moment«, versicherte ihr Mary Ann. »Die haben anscheinend den Weg nicht gleich …«
»Schon die Harley gesehen?« Für die Rockwitwe war das Thema Medien abgehakt, und sie sprach jetzt mit Brian.
»Allerdings.«
»Ist sie nicht Spitze?«
An der Tür erschien Mary Anns Kameramann. »Da ist er«, sagte sie.
»Fabelhaft!« rief Theresa. »Ich hoffe, es dauert nicht lang. Die von Twenty /Twenty kommen um zwölf.«
»Eine halbe Stunde, höchstens«, erwiderte Mary Ann. »Ich muß ihm nur noch sagen, was ich will.« Sie wandte sich an Brian. »Kann ich dich eine Weile allein lassen?«
»Ich kümmere mich um ihn«, sagte Theresa.
»Prima«, sagte Mary Ann und verdrückte sich.
Theresa nahm Brian am Arm. »Kommen Sie, wir machen die große Besichtigungstour.«
Sie führte ihn
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