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Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen

Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen

Titel: Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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ihr die Tränen kamen.
    Fünf Minuten später war es vollbracht. Sie stellte wieder mal einen ungedeckten Scheck aus und schob den leeren Einkaufswagen durch den Regen nach Hause. Mrs. Guttenberg erwartete sie an der Tür, stammelte ihren Dank und kramte in ihrem Geldbeutel nach »etwas für Ihre Mühe«.
    »Lassen Sie nur«, sagte Mona und schleppte sich zum Fahrstuhl.
    Während der langsamen, ächzenden Fahrt nach oben fiel ihr auf einmal die Maxime ein, die Mouse einmal den »Monaschen Lehrsatz« genannt hatte: Du kannst einen tollen Liebhaber, einen tollen Job und eine tolle Wohnung haben, aber nicht alles gleichzeitig.
    Sie und Mouse hatten darüber viel gelacht, ohne zu ahnen, daß es ihnen einmal wie ein Wunder vorkommen würde, wenn auch nur zwei von diesen drei Wünschen in Erfüllung gingen.
    Das mit der Liebe machte ihr inzwischen nicht mehr so viel Kummer. Da sie allein lebte, konnte sie sich gewisse Illusionen machen über Leute, die ihr halfen, sie mehr zu mögen – manchmal sogar, sie mehr zu lieben. Oder war das nur ihre Ausrede dafür, daß sie als Mitbewohnerin ein hoffnungsloser Fall war?
    Das mit der Wohnung gab ihr einen Stich, als sie die dritte Etage erreichte und die Tür zu der öden kleinen Bude aufschloß, die sie ihr Zuhause nannte. Es war doch äußerst tragisch – nein, nicht tragisch, nur kläglich –, wenn eine Frau von achtunddreißig sich ihre Bücherregale immer noch aus Backsteinen und Brettern baute.
    Sie war im Begriff, auch in der Frage des Jobs auf Fehlanzeige zu erkennen, als das Telefon schrillte.
    »Ja?«
    »Kann ich bitte Mona Ramsey sprechen?« Eine weibliche Stimme, die ihr unbekannt war.
    »Äh … ich glaube, sie ist nicht da. Wer sind Sie?«
    »Dr. Sheldons Buchhalterin.«
    Mona bemühte sich um einen forschen Ton. »Aha. Kann ich Ihre Nummer notieren?«
    »Sie ist also nicht da?«
    »Leider nein.« Diesmal nicht nur forsch, sondern ungehalten. Diese Geldeintreiberin würde nicht so ohne weiteres klein beigeben.
    »Ich habe versucht, sie an ihrer Arbeitsstelle zu erreichen, aber dort hieß es, sie hätte sich heute krank gemeldet. Das ist doch ihre Wohnung, oder?«
    »Ja, schon, aber … Miss Ramsey mußte kurz weg.«
    »Ich dachte, sie ist krank.«
    »Nein«, antwortete Mona. »In Trauer.«
    »Oh …«
    »Ihr bester Freund ist heute vormittag gestorben.« Das klang ein bißchen zu konventionell, deshalb fügte sie hinzu: »Er wurde hingerichtet.«
    »Mein Gott.«
    »Es hat sie ziemlich mitgenommen«, sagte Mona, die allmählich auf den Geschmack kam. »Sie war als Zeugin dabei.«
    Das war beinahe schon Overkill, aber es wirkte wie ein Zauberspruch. Die Anruferin schnappte nach Luft. »Also … dann … werde ich noch mal anrufen, wenn … Bitte sagen Sie ihr einfach, daß ich angerufen habe.«
    »Aber sicher«, sagte Mona. »Schönen Tag noch.«
    Sie legte vorsichtig den Hörer auf, packte das Kabel und riß den Telefonstecker aus der Dose. Falls Spezialisten für Periodontitis mit dem organisierten Verbrechen in Verbindung standen, steckte sie in bösen Schwierigkeiten.
    Sie machte sich eine Tasse Red-Zinger-Tee und zog sich ins Schlafzimmer zurück. Sie betrachtete sich im Spiegel und konnte nicht den geringsten Hinweis auf so etwas wie eine eigene Persönlichkeit finden. Serra hatte sich einmal zu der wohlwollenden Bemerkung durchgerungen, sie sehe »Tuesday Weld sehr ähnlich«. »Ja, freitags«, hatte sie ihr geantwortet. Heute war nur allzu offenkundig, weshalb sie sich in Kalauer retten mußte.
    Ihre »Charakterfalten« warfen allmählich die Frage auf, ob es auch so etwas wie zuviel Charakter geben kann. Zudem konnten ihre roten Struwwelhaare schon seit Jahren nicht mehr den Anspruch erheben, Ausdruck anarchischer Rebellion zu sein. (Selbst die Streisand war am Ende von dem Rostiger-Brillo-Topfputzer-Look abgekommen.) War es Zeit nachzugeben, das Handtuch zu werfen und eine Lippenstiftlesbe zu werden?
    Einige der militantesten Lesben in der Stadt waren bereits konvertiert und hatten ihre Levi’s und Birkenstock-Sandalen zugunsten enger Röcke und hoher Absätze ausgemustert. Es ging nicht mehr um den Unterschied zwischen ruppig und feminin, Befreiung und Unterdrückung. Kleider stempelten eine Frau nicht mehr ab. Kleider waren jetzt einfach Kleider.
    Der Gedanke an ein völlig anderes Erscheinungsbild war seltsam berauschend, doch sie brauchte noch ein zweites Votum. Kurz entschlossen stöpselte sie das Telefon wieder ein und wählte die Privatnummer von

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