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Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen

Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen

Titel: Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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entgeistert an. »Du meinst, Wally soll dich ficken?«
    »Nein! « Sie platzte so laut heraus, daß die Chinesin am Nebentisch von ihrem Chili Dog hochschaute. Sie zwang sich zu einem ruhigen Tonfall und fügte hinzu: »Ich meine das ganz generell. Ich möchte, daß das Baby aus einem Akt der Liebe entsteht. Oder wenigstens … Zuneigung. Du kannst dich darüber bei meiner Mutter beschweren, wenn du willst. Sie hat mich so erzogen, und ich krieg’s nicht los.«
    »Das find ich erstaunlich«, sagte Connie.
    »Was?«
    »Na … ich hab dich im Fernsehen gesehen. Da wirkst du so modern. «
    »Connie … ich bin immer noch Mary Ann. Erinnerst du dich? Stellvertretende Vorsitzende der Future Homemakers of America?«
    »Schon, aber du hast dich sehr verändert.«
    »Gar nicht so sehr«, sagte Mary Ann. »Glaub mir.«
    »Mary Ann! Es geht los! « Die frohe Kunde kam von ihrem Kameramann.
    Sie sprang auf. »Das ist mein Stichwort.«
    Zwei Minuten später plumpste das nasse Junge auf den Zementboden, ohne daß die Mutter den leisesten Schmerzlaut von sich gab.
    »Tiere haben es so leicht«, sagte Connie, die etwas abseits das Geschehen verfolgte.
    Mary Ann verbrachte den Rest des Nachmittags damit, ihren Beitrag sendefertig zu schneiden. Als sie Feierabend machte, übergab ihr der Wachmann in der Eingangshalle einen großen braunen Umschlag. »Eine Dame hat gesagt, ich soll Ihnen das geben.«
    »Was für eine Dame?«
    »Eine schwangere.«
    »Na toll.«
    Sie machte den Umschlag erst auf, als sie im Wagen saß. Der Le Car war in einer Seitengasse der Van Ness geparkt. Der Umschlag enthielt zwei Broschüren mit einer angehefteten Notiz:
     
    Mary Ann,
    Schimpf nicht auf mich, bitte. Ich hab dir die Dinger dagelassen, weil ich mir denke, daß sie dir die Sache vielleicht besser verklickern als ich. Ganz unter uns: Wally war ein bißchen muffig, als er erfahren hat, daß ich dir nicht erst was zum Lesen gegeben habe. Laß uns bald wieder einen Treff ausmachen. Ich hab dich lieb.
    Connie
     
    Sie wußte nicht, was sie mehr störte – Connies chronische Munterkeit (eine Nummer, die sie sich vor Jahren zugelegt hatte, als sie Dutzende von Jahrbüchern der Central High mit Widmungen versah) oder die Erkenntnis, daß Brians Sterilität inzwischen die ganze Familie Bradshaw beschäftigte.
    Sie begann zu lesen:
     
    Wir glauben, daß wir als Frau das Recht haben, über unsere Fortpflanzung selbst zu bestimmen, d. h. zu entscheiden, ob, wann und wie wir schwanger werden wollen. Spender-Insemination ist ein Vorgang, bei dem Sperma durch eine geeignete Vorrichtung in die Vagina oder den Gebärmutterhals eingebracht wird, um das Ei zu befruchten und eine Schwangerschaft herbeizuführen. Dazu kann frisches oder aufgetautes Tiefkühlsperma verwendet werden.
    Sicherheit und Wirksamkeit der Methode sind erwiesen. Derzeit werden in den USA jährlich 15-20000 Kinder durch künstliche Befruchtung gezeugt. Seit Ende des 2. Weltkriegs verdanken mehr als 300000 Kinder dieser Methode ihr Leben, und seit 1776, als die Technik des Einfrierens von Sperma entwickelt wurde, sind mehr als eine Million Kinder …
     
    Schaudernd legte sie die Broschüre weg. Eingefrorenes Sperma während der Revolution? Wo denn das? In Valley Forge? In einem Punkt hatte Brian jedenfalls recht: 1984 war gleich um die Ecke. Etwas war katastrophal schiefgelaufen, wenn der wissenschaftliche Fortschritt einen Punkt erreicht hatte, wo man Kinder ohne sexuelle Intimität zeugen konnte.
    Nein. Sie konnte das nicht.
    Wenn das die Zukunft war, wollte sie nichts damit zu tun haben.
    Sie würde Brian die Wahrheit sagen. Sie würden übers Wochenende irgendwo hinfahren. Sie würde zärtlich und liebevoll sein, und er würde es akzeptieren. Vielleicht nicht sofort, aber nach und nach. Er würde es akzeptieren müssen. Es ging gar nicht anders.
    Es war dunkel, als sie nach Hause kam. Während sie unter der Lampe am Eingang nach ihrem Hausschlüssel tastete, fiel ihr Blick auf einen weiteren großen braunen Umschlag, den jemand auf die Kante über den Klingelknöpfen gestellt hatte. Sie war drauf und dran, einen Schreikrampf zu kriegen, als sie sah, daß er an Mouse adressiert war. Sie nahm ihn mit nach oben und klopfte bei Mouse.
    »Herein.«
    Er stand über sein Sofa gebeugt und verstaute Kleider in einem Koffer. »Na, Kleines?«
    »Du, das hat jemand an der Haustür für dich hinterlassen.« Sie legte den Umschlag auf einen Stuhl.
    Er sah kurz hin und machte mit dem Packen weiter. »Muß

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