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Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen

Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen

Titel: Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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zu ihrer alten Vertrautheit zurückfanden. Sie ging mit zwei Gläsern Wein hinaus und gab ihm eins. »Packst du denn dein Geschenk nicht aus?« fragte sie.
    Er machte ein verwirrtes Gesicht.
    »Das von Ned«, sagte sie und zeigte auf den Umschlag. Sie konnte es nicht leiden, wenn jemand ein Geschenk nicht sofort auspackte.
    »Ach so …« Er stellte sein Weinglas ab, griff nach dem Umschlag und riß ihn auf. »Und der Gewinner ist …« Er sah hinein und zog eine Karte heraus, deren Vorderseite ein nackter Feuerwehrmann zierte. »›Tu nichts, was ich nicht tun würde. Du wirst mir fehlen. Dein Kumpel Ned.‹«
    »Das ist süß«, sagte sie.
    Er nickte. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht.
    »Das war doch nicht alles, oder?«
    Wieder ein Nicken.
    »Mouse … da ist noch was drin.«
    »Meinst du?«
    »Das hab ich gefühlt, als ich den Umschlag in der Hand hatte.« Sie nahm ihm den Umschlag ab und schüttelte ihn über dem Sofa aus. Fünf einzeln verpackte Präser fielen heraus. »Oje«, sagte sie.
    Mouse grinste sie nur an. Es schien ihm nicht weiter peinlich zu sein. »Weißt du, das ist Neds Art, mir zu sagen … ›Amüsier dich gut, aber paß auf‹.« Er raffte die Präser mit beiden Händen zusammen. »Da … ich schenk sie dir.«
    »Was?« Sie war garantiert hochrot.
    »Komm schon. Nimm sie. Ich lebe enthaltsam. Ihr zwei könnt mehr damit anfangen als ich.«
    »Äh … Mouse. Danke, aber … kein Bedarf. Okay?«
    Er sah sie einen Augenblick an und ließ die Gummis wieder in den Umschlag gleiten. »Voll auf Pille, hm?«
    Sie nahm ihr Weinglas und trank es auf einen Zug aus.
    Er nippte bedächtig an seinem und sah sie über den Rand des Glases an. »Fährst du mich trotzdem noch zum Flughafen?«
    »Klar. Und ob. Wieviel Uhr?«
    »Na … ich würde sagen, wir sollten nicht später als halb vier losfahren. Für alle Fälle.«
    »Prima.« Sie gab ihm einen flüchtigen Kuß auf die Wange. »Bis dann.«
    Als sie in ihre Wohnung kam, spülte Brian gerade das Geschirr vom Frühstück. Sie stellte sich hinter ihn und küßte ihn auf den Nacken. »Mouse ist ganz aufgeregt«, sagte sie.
    »Kann ich ihm nicht verdenken«, meinte er.
    »Vielleicht sollten wir uns an ihm ein Beispiel nehmen.«
    Er trocknete seine Hände an einem Geschirrtuch ab und drehte sich um. »Und nach London fliegen?«
    Sie lächelte ihn an. »Nein, aber wenigstens mal raus aus der Stadt.«
    »Na schön. Mit unseren Ersparnissen müßten wir ohne weiteres bis Oakland kommen.«
    Sie stupste seine Nasenspitze. »Genau daran hatte ich auch gedacht.«
    »Oakland?«
    »Klar. Ein Wochenende für zwei im Claremont. Gratis.«
    »Wie das?«
    Sie gab sich so unbefangen wie möglich. »Kein besonderer Anlaß.«
    »Nein, ich meine … wieso gratis?«
    »Oh. Ich hab letzten Monat ein Feature über das Hotel gemacht, und sie wollten sich revanchieren.«
    »Nicht schlecht.«
    »Eben. Jacuzzi, Sauna … Sonnenbaden am Pool. Wir brauchen bloß Badezeug mitzunehmen und etwas für den Speisesaal.«
    »Und Leggings.«
    »Und Leggings«, echote sie. »Verkauft! An den Gentleman mit dem Steifen.«

Fragen an den Lieutenant
    Als sie am nächsten Tag vom Flughafen zurückkam, sah sie Simon auf der Bank im Garten sitzen. Er winkte ihr lässig zu, als sie durchs Gartentor ging. »Du wirkst wie einer von hier«, sagte sie.
    »So fühle ich mich auch«, erwiderte er lächelnd.
    »Tja …« Sie wies mit einer verklemmten Handbewegung irgendwo in Richtung Daly City. »Mouse ist in die blaue Ferne entschwebt.« Es klang so lahm, wie die Geste linkisch war.
    Simon zeigte auf die Messingplatten im Garten. »Ist das sein Lover?«
    Sie nickte.
    »Seine Asche?«
    Wieder ein Nicken.
    Er schüttelte langsam den Kopf. »Kein Wunder, daß er weg wollte.«
    Sie konnte es nicht ertragen, gerade jetzt an Jon zu denken. »Simon … laß mich wissen, wenn ich dir … na ja … bei irgendwas helfen kann.«
    »Danke«, sagte er. »Du warst mir schon eine große Hilfe.«
    »Ach, war … gar kein Problem …« Sie stellte fest, daß sie im Begriff war, sich rückwärts in Richtung Haustür abzusetzen. Wie ein verklemmter Teenager.
    »Hast du einen Moment Zeit?« fragte er und lehnte sich ein wenig vor.
    »Klar.«
    »Wunderbar. Komm, setz dich.«
    Sie setzte sich zu ihm. »Du hast Glück«, sagte sie. »Du kriegst was von unserer Sonne ab. Die arme Queen ist völlig leer ausgegangen.«
    Er sah sie mit einem trägen Schmunzeln an. »Ich bin sicher, diese Ironie wird Ihrer Majestät nicht entgangen

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