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Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen

Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen

Titel: Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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sein.«
    Sie lachte verlegen. Was sollte damit gemeint sein? Daß die Queen von seiner Eskapade wußte? Daß sie neidisch auf ihn war, weil er sich so einen unverantwortlichen Leichtsinn leistete? »Die Queen ist reizend.«
    »Hast du mal mit ihr gesprochen?«
    »Ach … vier- oder fünfmal, wenn’s hoch kommt.«
    »Sie scheint nicht oft zu lächeln.«
    Er zuckte mit den Schultern. »Lächeln ist ihr Job. Wenn Lächeln dein Job ist, gehst du sparsam damit um, sonst bedeutet es ja nichts mehr.«
    »Gut gesagt«, meinte sie.
    Wieder ein träges Lächeln. »Das ist unsere Standardantwort.«
    »Muß man … ein Lord oder so was sein, um Offizier auf der Britannia zu werden?«
    »Überhaupt nicht.«
    »Aber du bist einer?«
    Sein Lachen war herzhaft, aber nicht mokant. »Ihr Amerikaner fackelt nicht lange, wie?«
    Sie war Kalifornierin genug, um etwas dagegen zu haben, wenn man sie eine Amerikanerin nannte. »Also, ich finde es ganz normal, daß man sich fragt, ob …« Sie suchte vergeblich nach den richtigen Worten. Es ließ sich nicht verheimlichen, daß sie ihm auf den Zahn fühlte.
    Simon überbrückte das Schweigen galant. »Das einzige adlige Mitglied meiner engeren Familie ist meine Tante mütterlicherseits, eine knorrige alte Herzogin – durch Heirat –, die in Gummistiefeln herumläuft und mit Jachten übers Meer schippert.«
    »Das tut die Queen auch«, warf sie ein.
    »Aber mit dieser Herzogin kann sie nicht mithalten, das schwör ich dir.«
    Sie lachte, ohne recht zu wissen, warum. »Und deine Eltern?«
    »Sind beide tot«, sagte er gleichmütig.
    »Oh, das tut mir …«
    »Meine Mutter war Schauspielerin im West End. Mein Vater war Anwalt in Leeds und ist nach London gezogen, als er meine Mutter kennengelernt hat. Was sind deine Eltern?«
    Sie war einen Augenblick verunsichert. »Oh … na ja, mein Vater hat ein Elektrogeschäft, und meine Mutter ist Hausfrau. Sie leben in Cleveland.« Sie kam sich vor wie eine Kandidatin in der Spielshow Family Feud.
    »Cleveland … in Indiana, nicht?«
    »Ohio.«
    Er nickte. »Sie müssen sehr stolz auf dich sein.«
    »Ja, wahrscheinlich«, sagte sie. »Sie sehen mich natürlich nicht im Fernsehen, weil ich … nur im Regionalprogramm komme. Aber ich schicke ihnen den TV Guide, wenn was über mich drinsteht, und so Sachen. Deine Eltern müssen noch jung gewesen sein, als sie gestorben sind.«
    »Mhm. Sehr. Ich war noch in Cambridge an der Uni.« Seine Miene verriet, daß ihn ihre Neugier amüsierte. Er kam ihrer nächsten Frage zuvor. »Es war ein Verkehrsunfall. Auf der M-Eins. Kennst du die M-Eins?«
    »Eine Autobahn, nicht?«
    »Richtig.«
    »War deine Mutter eine gute Schauspielerin?«
    Es schien ihn zu freuen, daß sie danach fragte: »Das habe ich mich eigentlich die ganze Zeit auch gefragt. Ich fand sie damals atemberaubend. Sie war lustig. Und sehr schön.«
    »Das kann man sich gut vorstellen«, sagte sie.
    Er überging das nicht ganz eindeutige Kompliment. »Als ich vierzehn war, machte sie mich in der Garderobe des Haymarket-Theaters mit Diana Rigg bekannt. Ich fand es das schönste Geschenk, das eine Mutter ihrem Sohn machen kann.«
    »Das kann ich dir nachfühlen«, meinte sie lächelnd.
    Ein langes Schweigen trat ein. Sie erinnerte sich an den Joint, den sie noch in der Handtasche hatte. »Fast hätte ich’s vergessen«, sagte sie. »Du hast ja noch gar nicht die Königinmutter probiert.«
    »Wie bitte?«
    Sie kicherte und hielt den Joint hoch. »Mrs. Madrigals Beste Lage.«
    »Ah.«
    Sie zündete den Joint an, machte einen Zug und gab ihn Simon. »Ich hab zwei gedreht, für die Fahrt zum Flughafen. Mouse hat schon in den Wolken geschwebt, als sein Flieger gestartet ist.«
    Er sagte nichts und hielt die Luft an, damit der Rauch in der Lunge blieb.
    Sie beobachtete ihn und fühlte sich geschmeichelt, daß er dieses beinahe lächerliche Ritual mit soviel Würde absolvierte.
    »Sehr würzig«, sagte er schließlich.
    »Ja, nicht?«
    »Willst du immer noch diese Story?«
    Einen Augenblick dachte sie, es sei ein Vorwurf- als wollte sie ihn mit einer Dröhnung gefügig machen. Dann merkte sie, daß es eine ernsthafte Frage war. »Du meinst …?«
    »Die Story über mich. (Offizier der Queen desertiert in Frisco).«
    Sie schmunzelte. »Ich glaube, ich würde es etwas taktvoller anpacken.«
    Er gab ihr den Joint zurück. »Also … willst du?«
    Sie zögerte. »Simon, es war mein Ernst, als ich gesagt habe, daß ich nichts tun würde, was dir …«
    »Das weiß

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