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Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen

Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen

Titel: Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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das ihr am nächsten war. »Also … Simon hat mir erzählt, daß er Ihnen mal im British Museum ausgerückt ist.« Es war eine schwache Eröffnung, aber es war alles, was er hatte.
    Sie nippte vorsichtig an ihrem Tee. »Ja, das ist eine schlechte Angewohnheit von ihm, nicht?«
    Er nahm an, daß es eine rhetorische Frage war. »Er sagt, Sie waren ein wunderbares Kindermädchen.«
    Sie schaute in ihre Tasse, um sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr sie sich darüber freute. »Wir waren sehenswert, wir zwei.«
    Fast hätte er gesagt: »Das kann ich mir vorstellen.« Statt dessen sagte er: »Und jetzt sind Sie also Maniküre?«
    Sie nickte. »So ist es.«
    »Haben Sie einen Salon?«
    »Nein. Nur Stammkunden. Ich gehe zu ihnen nach Hause. Exklusive Kundschaft.« Sie streifte seine Hände mit einem mißbilligenden Blick. »Ihnen täte eine Maniküre auch gut, mein Bester.«
    Peinlich berührt musterte er seine ungepflegten Fingernägel. »Ich fürchte, in letzter Zeit geht’s abwärts mit mir. Dreißig Jahre lang hatte ich makellose Fingernägel.« Er beschloß, das Thema zu wechseln. »Woher wußten Sie, daß Simon … von der königlichen Yacht verschwunden ist?«
    Sie seufzte. »Ach, mein Lieber … der Mirror hatsich auf die Geschichte gestürzt. Haben Sie’s nicht gelesen? Es ist erst ein paar Tage her.«
    »Nein … hab ich nicht gesehen.«
    »Sie haben die Sache aufgeblasen, als hätte er der Queen eine reingehauen.«
    Er gab sich Mühe, ein angemessen besorgtes Gesicht zu machen. »Nichts dergleichen«, sagte er. »Er hatte die Navy einfach satt.«
    »Quatsch mit Soße«, sagte Miss Treves.
    »Äh … wie bitte?« Er glaubte, sich verhört zu haben.
    »Die Navy ist eine Sache, mein Bester. Die Britannia ist was anderes. Es ist eine fürchterliche Schande.«
    »Wie hat es die Presse denn rausgekriegt?«
    »Durch irgendein dämliches Weibsbild im Fernsehen«, knurrte sie entrüstet.
    »In San Francisco?«
    Sie nickte. »Dann hat der Mirror seine eigenen Schnüffler auf die Sache angesetzt und seine Adresse herausbekommen. Und sie auch noch gedruckt!«
    Er dachte einen Augenblick nach. »Sind Simons Eltern … verärgert?«
    Miss Treves lachte in sich hinein. »Seine Familie sitzt vor Ihnen, mein Bester.«
    »Oh …«
    »Seine Eltern sind einen tragischen Tod gestorben, als er noch in Cambridge war.«
    »Ach … das hab ich nicht gewußt.«
    Sie knetete die Hände in ihrem Schoß. »Simon redet nicht gern darüber. Es war ein grauenhafter Verkehrsunfall.«
    Er nickte.
    »Sprechen Sie ihn nicht darauf an, ja? Der arme Junge hat acht Jahre gebraucht, um drüber wegzukommen.«
    »Wer würde das nicht?« sagte Michael. Er war schon auf dem besten Weg, Simon den Zustand der Wohnung zu verzeihen und in diesem Miniaturkindermädchen eine Art Schutzengel in Tweed zu sehen. »Er kann sich glücklich schätzen, daß er Sie hatte«, fügte er hinzu.
    Ihr kleiner Rosenknospenmund wellte sich zu einem Lächeln, das ganz ihm galt. »Simon hat immer so reizende Freunde.«

Zyklop trifft Bischof
    Mary Ann war unterwegs, um eine Human-Interest-Story über die Schließung eines Automobilwerks zu drehen, so daß Brian Gelegenheit hatte, seinen ersten offiziellen Tag als Hausmann in der Barbary Lane 28 mit allerlei handfesten Verrichtungen zu begehen. Er trimmte den Efeu an sämtlichen Fensterbänken, und er brachte Ordnung in die Schwämme und Putzmittel unter der Küchenspüle. Mit der wütenden Entschlossenheit eines Terriers, der eine Taschenratte aus ihrem Bau scheucht, kroch er unters Bett und machte Jagd auf Flusen.
    Er arbeitete jetzt für drei. Jeder Wischer des Staubtuchs, jeder Spritzer Scheuermittel, jeder Mäusekötel, den er aus der Vorratskammer verbannte, machte die Wohnung wieder ein Stück sicherer für Das Kind.
    Das Kind.
    Er machte es zur Ikone, und in abergläubischer Andacht zollte er dem Samenkorn Tribut, das vielleicht schon jetzt – während er die Kloschüssel auswischte – in Mary Anns Schoß keimte. Das Kind war jetzt alles. Dieses unbeschreibliche, mikroskopisch winzige Kerlchen hatte sein Leben völlig verändert und ihm einen Grund gegeben, morgens aus den Federn zu kriechen. Und das kam einem Wunder gleich.
    Er legte eine Pause ein und machte sich ein Schinkenbrot, das er in dem Häuschen auf dem Dach verzehrte, während ein rostroter Tanker lautlos durch die blaue Weite der Bucht glitt. Über dem braunroten Ziegelbau des Art Institute flatterte ein Kinderdrachen mit regenbogenbuntem Schwanz im

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