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Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen

Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen

Titel: Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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wohin?«
    »Leider nicht, Mann. Sie hat’s der Verkäuferin aufgeschrieben.«
    »Bist du ihr gefolgt?«
    »Ging nicht. Sie hat ein Taxi genommen.«
    »Welche Farbe hatte das Kleid?«
    »Pink oder so. Irgendwie rosa. Mit großen Puffärmeln. Warum?«
    »Komm mit, Kleiner. Schnappen wir uns ein Taxi. Jetzt bin ich mit Detektivspielen dran.«
    Eine Viertelstunde später ließ er Wilfred in einem Coffee-Shop am Beauchamp Place zurück und ging allein zu Caroline Charles. Die Frau hinterm Ladentisch war so abweisend, wie Wilfred sie geschildert hatte.
    »Ja, Sir? Kann ich Ihnen helfen?«
    »Danke, ja. Meine Frau hat hier gerade ein Kleid gekauft … etwa vor einer halben Stunde. Eine Amerikanerin … in einem grauen Pulli und einem Rock in Pink.«
    »Ja.«
    »Es war ein rosa Kleid. Sie wollte, daß es ihr zugeschickt wird.«
    »Ich erinnere mich sehr gut, Sir. Was kann ich für Sie tun?«
    »Tja … ich weiß, das hört sich furchtbar albern an, aber sie glaubt, daß sie Ihnen vielleicht die falsche Adresse genannt hat. Sie hat in letzter Zeit … äh … gesundheitliche Probleme und ist manchmal ein bißchen schusselig. Sie meint, daß sie Ihnen vielleicht unsere Winteradresse gegeben hat statt der … wo wir im Sommer wohnen, Sie verstehn, und, na ja, ich dachte, ich sollte mich lieber vergewissern.«
    Die Frau sah ihn stirnrunzelnd an.
    Michael senkte die Stimme zu einem Flüstern. »Ehrlich gesagt, wenn ich sie vom Valium runterkriegen könnte, hätten wir diese Probleme nicht. Letzte Woche hat sie vergessen, wo sie den Bentley geparkt hat, und wir haben zwei Tage gebraucht, um ihn wiederzufinden.«
    Die Verkäuferin kräuselte ein wenig die Lippen, holte den Lieferschein hervor und legte ihn vor Michael hin. Er las die Adresse und prägte sie sich ein:
     
    Roughton
    Easley-on-Fen
    Bei Chipping Camden
    Gloucestershire
     
    »Gut«, sagte er. »Alles in Ordnung. Ich schätze, es gibt vielleicht doch noch Hoffnung für das alte Mädchen.«
    Bis er in den Coffee-Shop kam, bestand die Adresse nur noch aus wirren Buchstabenfolgen. Als er Wilfred sah, hinderte er ihn mit einer Handbewegung am Reden und schrieb erst mal alles auf. Dann schob er ihm den Zettel hin.
    »Kannst du damit was anfangen?«
    »Mit Gloucestershire schon«, meinte der Junge schulterzuckend. »Ich glaub, von Chipping Camden hab ich auch mal gehört, aber der Rest …«
    »Ist Roughton ein Familien- oder ein Ortsname?«
    »Könnte beides sein, würd ich sagen. Heißt sie nicht so?«
    »Nein. Sie heißt Ramsey. Mona Ramsey.«
    »Vielleicht war das Kleid bloß ein Geschenk für jemand anderen. Oder nee … das ist nicht sehr wahrscheinlich.«
    »Warum?« fragte Michael. Der Gedanke war ihm selbst schon gekommen. Wenn sie sich von einer reichen Wohltäterin aushalten ließ, konnte es durchaus sein, daß sie ihr auch mal was schenkte.
    »Na, weil sie’s doch anprobiert hat«, sagte Wilfred. »Es sei denn, ihre Freundin hat genau die gleiche Größe.« Er machte eine Pause und schien Michaels Gedanken zu erraten. »Sie steht auf Mädels, was?«
    »Meistens, ja«, sagte Michael mit einem Lächeln. »Aber sie ist sehr zugeknöpft. Sie traut keinem Menschen. Sie denkt, das Leben ist ein Scheißspiel.«
    »Da hat sie auch recht«, meinte Wilfred.
    »Sie läßt sich nichts gefallen. In der Beziehung ist sie wie du.«
    »Ist ja auch nicht verkehrt, Mann.«
    »Ich weiß. Ich sollte mir die Einstellung auch zulegen. Ich hab noch keinen Südstaatler getroffen, der seine Höflichkeit nicht zum eigenen Schaden übertrieben hat.«
    »Du bist aus dem Süden?«
    Michael nickte.
    »Aus dem tiefen Süden?«
    »Nicht direkt. Orlando. Und sieh mich jetzt nicht so an. Ich hab nie jemand gelyncht.«
    Wilfred griente und trat ihn an die Wade. »Was machst du jetzt mit ihr?«
    »Tja … ich könnte ihr einen Brief an diese Adresse schreiben. Aber was soll mir das nützen, wo sie schon im Park vor mir abgehauen ist?«
    »Bist du sicher, daß sie dich erkannt hat?«
    »Ganz sicher. Und ich weiß auch, warum sie abgehauen ist.«
    »Warum?«
    »Weil ich so was wie ihr schlechtes Gewissen bin.«
    »Macht sie denn was Schlimmes?«
    »Na ja … etwas, was ihr peinlich ist. Sie hat sich dafür sogar eine Tarnung zugelegt. Sie sieht normalerweise nicht so aus. Ihr Haar ist sonst rot und strubbelig. Und Perlen hat sie in ihrem Leben noch nie getragen. Ganz zu schweigen von Pink. «
    »Kennst du sie schon lang?«
    Michael dachte kurz nach. »Mindestens acht Jahre. Meine Vermieterin in San

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