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Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen

Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen

Titel: Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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stecken.«
    »Wieso?«
    »Ich weiß nicht. Warum hat sie nicht mit mir reden wollen? Irgendwas läuft bei ihr fürchterlich schief.«
    Wilfred zuckte mit den Schultern. »Auf mich wirkt sie ganz normal.«
    »Eben«, sagte Michael. »Das ist es ja.«
    Der Junge lugte noch einmal hinter der Säule hervor. »Sie geht jetzt. Was willst du machen?«
    »Meine Güte. Wenn sie mich sieht, geht sie uns vielleicht endgültig stiften.«
    »Und wenn ich ihr nachgehe? Mich kennt sie ja nicht.«
    »Hm. Ich weiß nicht …«
    »Ein Kanake würde sie verschrecken, was?«
    Michael sah ihn stirnrunzelnd an. »Nein, so ist sie nicht. Also gut … dann mal zu. Schau mal, was du rausfinden kannst. Moment! Wo sollen wir uns wieder treffen?«
    Der Junge überlegte angestrengt. »Tja … im Markham Arms in der Kings Road … Oder nee, heut ist ja nicht Samstag.«
    »Was?«
    »Der Laden ist nur samstags schwul.«
    »Scheiß drauf. Wir treffen uns da in einer Stunde.«
    »Is gut. Markham Arms, Kings Road.«
    »Alles klar«, sagte Michael. »Sieh zu, daß sie nichts merkt, Wilfred. Behalt sie nur im Auge, ja?«
    Der Junge salutierte flott, indem er die Fingerspitzen an sein Heftpflaster legte, und nahm die Verfolgung auf. Michael wartete eine Viertelstunde, dann verließ er das Harrods und fuhr mit einem Taxi zum Markham Arms. Die Leute, die sich lärmend im Pub drängten, machten einen ziemlich schicken Eindruck, und viele hatten offenbar einen Einkaufsbummel unterbrochen und waren vor dem ersten größeren Regenguß des Tages hierher geflohen. Er ließ sich ein Glas Cider geben und zwängte sich in eine Ecke. In der Musikbox lief gerade Stings Hitsingle »Spread a Little Happiness« an.
    Als Wilfred zur verabredeten Zeit nicht erschien, ließ er sich noch ein Glas Cider und einen Beutel Vinegar Crisps geben. Er unterhielt sich kurz mit einem gutaussehenden Geschäftsmann, der den Eindruck machte, als könnte er an Samstagen hier Stammgast sein. Sie sprachen gerade über das Musical Cats, als Wilfred sich durch die Menge drängte und die Regentropfen von seinen goldbraunen Locken schüttelte.
    »Also zunächst mal«, verkündete er, »ist sie Amerikanerin.«
    »Das wußte ich schon. Was noch?«
    Wilfred grinste. »Ein Stout würde mir die Zunge lösen.«
    »Ist gebongt.« Michael winkte den Barkeeper heran und bestellte ein Guinness und noch einen Beutel Crisps. »Sie hat dich doch nicht gesehen?«
    »Ich glaub nicht«, erwiderte der Junge. »Ich hab Abstand gehalten. Es war nicht leicht, Mann. Sie war ständig in Bewegung.«
    »Wo ist sie hingegangen?«
    »He … mein Bier.«
    Michael drehte sich um, nahm dem Barkeeper das Glas ab und reichte es Wilfred weiter. »Da hinten sind zwei Plätze frei. Wollen wir uns rübersetzen?«
    »Gute Idee«, meinte der Junge. »Ich bin total geschafft.«
    Mit einem »Machen Sie’s gut« verabschiedete sich Michael von dem Geschäftsmann und folgte Wilfred durch die lärmige Menge. Als sie sich gesetzt hatten, sagte der Junge: »Sie ist was Besseres, hm? Hat sich die ganze Zeit am Beauchamp Place umgetan.«
    »Wo ist das?«
    »Nicht weit von Harrods. Von der Brompton Road ein Stück rein. Hauptsächlich für reiche Leute und Amerikaner. Affige Boutiquen … solches Zeug.«
    »Und wo ist sie da reingegangen?«
    »Ach … in ein Juweliergeschäft namens Ermeline. Ich glaub nicht, daß sie was gekauft hat, aber es war schwer zu sagen. Ich konnt sie nur von der Straße aus beobachten. Der Laden war zu klein, um drin zu spionieren.«
    »Gut gedacht.«
    »Dann ist sie in ein Ding rein, das hieß Spaghetti.«
    »Ein Restaurant?«
    »Kleiderladen. Sie ist nicht lang geblieben. Es fing wieder zu regnen an, und sie ist ein Stück den Gehsteig langgerannt. Ein Motorradfahrer hat ihr das Kleid eingedreckt, da ist sie stehngeblieben und hat ihm den Finger gezeigt und gesagt: ›Wichs um die Ecke, Mac!‹«
    Michael schmunzelte. »Tatsächlich, sie ist es.«
    »Ich hab ein bißchen gewartet, und dann bin ich ihr nachgegangen in einen Laden namens Caroline Charles. Die Zicke hinterm Ladentisch hat mich fies angeglotzt, deshalb konnt ich mich da nicht lang rumtreiben.«
    »Hat sie irgendwas gesagt? Meine Bekannte, mein ich.«
    »Nicht viel. Sie hat ein Kleid gekauft. Hat ein dickes Geldbündel aus der Handtasche gezogen und bar bezahlt.«
    »Hat sie das Kleid mitgenommen?«
    Wilfred schüttelte den Kopf. »Sie wollte, daß sie’s ihr schicken. Hat gesagt, sie braucht es bis Ostern.«
    »Na fabelhaft! Hat sie gesagt,

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