Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen
angebracht, würde ich meinen.«
»Wilfred ist ein Freund von mir. Ja?«
»Das sind Squatter, müssen Sie wissen.«
»Wer?«
»Dieser Kleine und sein gräßlicher Vater. Sie zahlen keine Miete für die Wohnung da oben. Sie sind einfach eingezogen und haben sich da breitgemacht. Na, was soll’s. Sie denken bestimmt, das geht mich nichts an. Aber ich finde es besser, wenn Sie Bescheid wissen.«
»Aber … wenn es illegal ist, warum hat …«
»O nein, es ist ganz legal. Nur nicht sehr anständig. Aaaalso … wenn Simon Ihnen böse ist, dann wissen Sie, warum.«
Sie setzte das dünne selbstgefällige Lächeln einer Petzerin auf. Michael verspürte plötzlich den Drang, es ihr mit einer Dachlatte wegzuschlagen. Statt dessen wechselte er das Thema.
»Was soll ich Simon von Ihnen ausrichten?«
»Er kommt in vierzehn Tagen wieder?«
»So ungefähr.«
»Er wird uns doch hoffentlich nicht schwul geworden sein, oder?«
Keine Dachlatte. Ein Vierkantholz. Mit einem Nagel drin. »Ich hab ihn nicht nach seinem Privatleben ausgefragt«, sagte er kühl.
Sie musterte ihn einen Augenblick. Dann sagte sie: »Na, jedenfalls … sagen Sie ihm, daß er eine fabelhafte Hochzeit verpaßt hat.« Sie machte eine Pause, die offenbar auf Effekt abzielte. »Meine, um genau zu sein.«
»Ist gut.«
»Mein Name ist jetzt Dane. Mein Mädchenname war Pumphrey. Aber Fabia genügt. Mehr hat sich Simon ganz sicher nie gemerkt.«
Da war sich Michael auch ganz sicher.
»Auf jeden Fall, mein Mann und ich geben eine kleine Sommerparty auf unserem neuen Landsitz, und ohne Simon wäre die Gästeliste nicht komplett. Die schriftliche Einladung kommt noch, aber Sie können ihn ja schon mal vorwarnen. Damit er sich eine wirklich überzeugende Ausrede zurechtlegen kann.«
Die letzte Bemerkung war so gehässig, daß er sich fragte, ob es sich bei ihr um eine abgewiesene Geliebte handelte. War sie nur vorbeigekommen, um Simon ihre Heirat unter die Nase zu reiben?
»Wenn ich mir’s recht überlege«, fügte Fabia hinzu, »sollten Sie ihm lieber auch meinen Nachnamen sagen. Ich möchte nicht, daß er irgendwas durcheinanderbringt. Dane. « Sie buchstabierte es für ihn.
»Wie in ›Dane Vinegar Chips‹?«
»Ja«, sagte sie, »ganz recht.«
»Ohne Flachs?«
»Das ist die Firma meines Mannes.«
»Na so was. Wilfred und ich haben grade vorhin welche gegessen.«
»Wilfred?«
»Der Aborigine.«
»Ah.«
Michael stand auf. »Ich werde Ihre Nachricht an Simon weitergeben.«
Fabia musterte ihn mit einem kalten Blick, dann stand sie auf und ging zur Tür. Dort blieb sie kurz stehen, als überlege sie sich eine passende Bemerkung für ihren Abgang. Michael verschränkte die Arme und reckte das Kinn vor. Sie bedachte ihn mit einem säuerlichen Lächeln und ging.
Er blieb stehen, bis sie draußen war. Dann setzte er sich und aß sein Sandwich vollends auf.
Minuten später kam Wilfred zurück. »Ist sie weg?«
»Ja, Gott sei Dank.«
»Was hat sie gewollt?«
»Nichts. Nichts Wichtiges. Nur eine Nachricht für Simon.«
»Das mit den Trommeln sind nicht wir, mußt du wissen.«
»Und wenn schon«, meinte Michael lächelnd.
»Trotzdem, das sind nicht mein Dad und ich. Es sind die blöden Jamaikaner da drüben.«
»Setz dich«, sagte Michael. »Vergiß diese Xanthippe. Iß dein Sandwich zu Ende.«
Der Junge setzte sich. »Weißt du, daß ein Typ deine Wohnung beobachtet hat?«
»Wann?«
»Grade eben. Ein dicker Kerl. Ich hab ihn von meinem Fenster gesehn.«
»Ach«, sagte Michael, »wahrscheinlich ihr Mann, der auf sie gewartet hat.« Der allmächtige Mr. Dane, König der Vinegar Chips.
»Nee«, meinte Wilfred stirnrunzelnd, »das glaub ich nicht.«
»Wieso?«
»Na, weil er sich verzogen hat, als sie rauskam.«
Michael ging zum Fenster. Die Kinder tollten noch immer draußen bei der Betonmischmaschine herum. Sonst war niemand zu sehen. »Wo hat er gestanden?«
»Da unten«, sagte der Junge und zeigte in die entsprechende Richtung. »Neben der Telefonzelle.«
»Und er hat … bloß raufgeschaut?«
Wilfred nickte. »Das Fenster angestarrt. Als wollte er sehn, wer dahinter ist.«
Die Jesustortilla
Es waren nur noch ein paar Stunden bis zu ihrem Palmsonn tagwochenende, als Brian bei Mary Ann im Sender anrief. »Ich hab sozusagen eine einseitige Entscheidung getroffen«, sagte er. »Ich hoffe, es macht dir nichts aus.«
Sie reagierte inzwischen auf jede Veränderung äußerst mißtrauisch. »Worum geht’s denn?« fragte sie.
»Ich hab
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