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Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen

Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen

Titel: Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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Francisco ist ihr …« Er konnte sich ein Lachen nicht verkneifen, obwohl das gegenüber Mrs. Madrigal etwas despektierlich war. »Meine Vermieterin ist ihr Vater.«
    Wilfred sah ihn verständnislos an.
    »Sie ist eine Transe. Sie war mal ein Mann.«
    »Eine Geschlechtsumwandlung?«
    Michael nickte. »Aber das vergißt man völlig. Sie ist einfach ein netter Mensch … der netteste Mensch, der mir je begegnet ist.« Er merkte, daß er sie mehr vermißte als seine richtigen Eltern.
    Doch jetzt wollte er sich wegen Mona nicht länger den Kopf zerbrechen. Sie gingen zurück zu Harrods und erledigten den Rest ihrer Einkäufe. Zwei Stunden später, beladen mit Royal-Family-Souvenirs, schleppten sie sich mit müden Schritten wieder in die Colville Crescent 44. Während Michael seine Schätze sichtete, stelzte Wilfred in der Küche herum und machte Sandwiches.
    »Das schmeckt fabelhaft«, murmelte Michael, als er in ein Chicken and Chutney auf Roggenbrot biß.
    »Gut.«
    »Wie geht’s übrigens deiner Birne?«
    »Ach … ich merk schon gar nichts mehr.«
    »Kannst du wieder nach Hause, ohne daß was passiert?«
    Wilfred schaute von seinem Sandwich hoch. »Hast du mich satt?«
    »Ach komm. Ich mach mir bloß Sorgen wegen deinem Alten. Dauert es lange, bis seine Wut verraucht?«
    Der Junge schüttelte den Kopf. »Bei dem dauert gar nichts lange.«
    Die Türklingel schrillte, und Michael zuckte zusammen. Er stand auf und schielte durch die Vorhänge des Fensters an der Straßenseite. Draußen stand eine Frau von etwa dreißig Jahren. Sie trug einen weinroten Blazer und einen Hermès-Schal und machte einen ziemlich herrischen Eindruck. Ihr marineblauer Faltenrock schien einen Unterleib von so beachtlichen Dimensionen zu verbergen, daß er einem Zentauren alle Ehre gemacht hätte. Ihr aschblondes Haar war in der Mitte gescheitelt und drehte sich unter ihrem Kinn einwärts, so daß es wirkte wie zwei Klammern um einen überflüssigen Einschub.
    »Oh«, sagte sie tonlos, als er ihr die Haustür öffnete. »Sie sind nicht Simon.«
    »Heute nicht.« Er grinste. »Kann ich ihm was ausrichten?«
    »Er ist noch verreist?«
    Er nickte. »Er kommt kurz nach Ostern wieder. Wir haben die Wohnungen getauscht.«
    »Aha. Sie sind aus Kalifornien?«
    »Ja. Äh … möchten Sie reinkommen?«
    Stirnrunzelnd dachte sie über sein halbherziges Angebot nach und sagte dann: »Ja, danke.« Sie warf den beiden Kindern, die auf dem Sandhaufen neben der Betonmischmaschine spielten, einen stechenden Blick zu. »Drinnen ist es wenigstens sicherer. «
    Er dachte nicht daran, ihr recht zu geben. »Ich bin Michael Tolliver«, sagte er und streckte ihr die Hand hin.
    Sie hielt ihre auf halber Höhe, als erwarte sie einen Handkuß. »Fabia Dane.« Als sie durch den Hausflur gingen, verzog sie angewidert das Gesicht. »Mein Gott, dieser Geruch! Hat hier jemand seine Grütze abgeladen?«
    Er entschied, daß sie Kotze meinte. Ganz unverhofft verspürte er den uncharakteristischen Drang, das Haus in Schutz zu nehmen. Er verabscheute diese Frau schon jetzt. »Es ist ein altes Gebäude«, sagte er in neutralem Ton. »Da lassen sich Gerüche kaum vermeiden.«
    Sie tat diese Theorie mit einem knappen Grunzlaut ab. »Das Problem unseres lieben Simon ist, daß er noch nie zwischen Bohème und Schmuddel unterscheiden konnte. Eine leicht angegammelte Wohnung in Camden Town könnte man ja noch verstehen … oder selbst in Wapping, Herrgott noch mal … aber das hier? Es muß schrecklich für Sie sein. Und diese gräßlichen Abos mit ihrem Getrommel Tag und Nacht …«
    Ihre Schmährede brach jäh ab, als sie ins Wohnzimmer stürmte und Wilfred lässig auf dem Sofa liegen sah. Er begrüßte sie mit einem munteren »Booga booga«.
    Michael grinste ihn an. Fabia wandte sich mit steinerner Miene zu ihm um. »Was ich zu sagen habe, ist privat. Wenn Sie nichts dagegen haben …«
    Wilfred sprang auf. »Wollte grade gehn, gnä’ Frau.«
    Michael sah keinen Grund, ihr gefällig zu sein. »Wilfred, du kannst gerne bleiben.«
    »Ich weiß.« Er zwinkerte Michael zu. »Bis später.«
    Sobald er draußen war, pflanzte Fabia ihr massives Hinterteil in einen Sessel und sagte: »Simon wäre das bestimmt nicht recht.«
    Michael setzte sich so weit wie möglich von ihr weg. »Was denn?«
    »Daß Sie diesen Aborigine hier ein und aus gehen lassen.«
    Michael versuchte, sich zu beherrschen. »Davon hat er mir nichts gesagt.«
    »Trotzdem. Ein bißchen gesunder Menschenverstand wäre ganz

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