Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen
Wunder wirken. Ganz zu schweigen von der Vibrationsmatratze … und einem von diesen koreanischen Ölgemälden von Paris im Regen. Wir können beide Betten nacheinander zerwühlen, wenn wir wollen, und …«
»Menschenskind! «
Die Heftigkeit seines Ausbruchs erschreckte sie. »Was ist denn …«
»So hast du dir das also vorgestellt?«
»Na, es war ja nur ein …«
»Vielleicht hab ich alles völlig falsch verstanden«, sagte er. »Ich dachte, wir wollten ein neues Leben in die Welt setzen. Ich dachte, wir hätten die ganze Zeit von unserem Kind geredet!«
»Haben wir ja auch«, sagte sie gepreßt. »Unter anderem.«
»Warum, zum Donnerwetter, willst du dann so was Abgeschmacktes daraus machen?«
Jetzt warf sie ihre Zurückhaltung über Bord. »Ach Gott, ja! Die Mommy soll ja bloß keinen Spaß dabei haben. Hier geht’s ja um was Heiliges. Weißt du was, Brian? Warum gehst du nicht runter zu den Rosen und holst ’ne Handvoll Blütenblätter … die können wir dann auf unser gottverdammtes Bett der ehelichen Seligkeit streuen, damit das kleine Balg weiß, daß es unser ein und alles ist … er oder sie, oder was immer wir da heute abend fabrizieren.«
Er starrte sie an, als wäre sie eine Tote im Leichenschauhaus und er der nächste Angehörige. Dann stand er auf, ging ans Fenster und sah auf die Bay hinaus. Nach langem Schweigen sagte er: »Ich bin anscheinend schwer von Begriff. Ich hab hier irgendwas die ganze Zeit falsch verstanden.«
»Wie meinst du das?« Ihre Stimme war jetzt ruhiger.
Er zuckte mit den Schultern. »Ich hab gedacht, du willst ein Kind. Ich hab es wirklich geglaubt.«
»Will ich doch, Brian. Will ich doch auch. Ich kann’s nur nicht ertragen, wenn … du so tust, als ginge es nur darum, wenn wir zusammen schlafen. Sieh mal … ich komm von einem grauenhaften Arbeitstag nach Hause, und du sitzt da wie ein verwöhnter kleiner Junge, der auch noch was von mir erledigt haben will. Tut mir leid, aber mehr als ein Wunder pro Tag schaff ich nicht.«
»Wunder?« fragte er stirnrunzelnd. »Was soll das denn wieder heißen?«
»Nichts. Ich wollte nur sagen … ich möchte, daß du mich so willst, wie ich bin. Ich will nicht schon eifersüchtig sein auf ein Kind, das wir noch gar nicht haben.« Sie machte ihm mit einem vorsichtigen Lächeln ein Versöhnungsangebot. »Das ist alles, Brian. Können wir nicht, bloß heute abend mal, einfach so zusammen ins Bett?«
»Sicher«, sagte er sanft. »Klar.«
»Verstehst du, was ich dir sagen will?«
Er nickte. »Tut mir leid, Kleines. War nicht so gemeint.«
»Ich weiß«, sagte sie. »Ich weiß.«
Später rauchten sie dann einen Joint und liebten sich auf dem Fußboden im Fernsehraum. Vielleicht war es die Anspannung des Tages, die Mary Anns Orgasmus hinauszögerte, bis sie sich vom Gewohnten in die Phantasie flüchtete, es sei Simons Körper, der ihren Po in den Teppichboden knetete.
»Siehst du?« sagte Brian hinterher mit einem Schmunzeln. »Einfach so. Nur wir beide.«
Ein Toter vor der Tür
Nach einigen Nachforschungen stellte Michael fest, daß Lon dons angesagtester Lesbennachtclub in Mayfair lag und »Heds« hieß. Diskret in einem Untergeschoß versteckt, war er nur an einem unscheinbaren Messingschild neben dem Eingang zu erkennen: GENTLEMEN WERDEN HÖFLICH GEBETEN, IHRE WAFFEN VOR BETRETEN DES ETABLISSEMENTS ABZUFEUERN. Die brünette Türsteherin hatte rotbraun geschminkte Lippen und einen Pagenschnitt.
»Wart ihr Jungs schon mal hier?«
Michael wandte sich an Wilfred. »Waren wir?«
»Ja«, sagte der Junge. »Keine Sorge, wir sind andersrum.«
»Man weiß ja nie«, sagte die Türsteherin lächelnd. »Dann amüsiert euch mal schön.«
Der niedrige Raum war rauchgeschwängert, und an einer Wand entlang reihte sich Couch an Couch. Vier oder fünf Lesbenpärchen tanzten unter einer blitzenden Facettenkugel zu einem langsamen Song von Anne Murray. Die meisten Frauen waren elegant gekleidet. Manche waren erstaunlich schön. Michael setzte sich auf eine Couch und fordert Wilfred auf, sich ihm anzuschließen.
»Kein sehr aussichtsreicher Versuch«, meinte er.
Der Junge zuckte mit den Schultern. »Schaden kann’s nicht.«
»Ist nicht grade ihre Sorte von Lokal. So gar nicht … militant.«
»Mhm.«
»Klar … sie sieht jetzt ganz anders aus. Da hat sich vielleicht auch alles andere verändert.«
»Hast du mal dran gedacht, sie anzurufen?«
»Du meinst, unter dieser Adresse? Das hab ich vor drei Tagen probiert. Roughton in
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