Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen
wirst schnell braun«, sagte sie.
»Ja«, meinte er. »Eigentlich komisch. Meine Eltern hatten beide eine empfindliche Haut.«
»Steht dir gut«, sagte sie.
Er sah verlegen aus dem Fenster. »Ich mag das Lokal. Du bist oft hier, nicht?«
Sie nickte. »Meistens zum Frühstück. Ich fühle mich hier fast zu Hause.«
»Na ja … ich nehme an, der Name trägt dazu bei: Mama’s.«
»Ja. Nur, daß meine Mutter als Köchin ’ne ziemliche Niete war.«
Er lächelte sie an. »Meine auch. Und keiner hatte den Mut, es ihr zu sagen. Wir haben die Tage herbeigesehnt, an denen Nanny das Kochen übernahm.«
»Mist«, entfuhr es ihr plötzlich, als sei ihr etwas eingefallen.
»Was ist denn?«
»Ich hab vergessen, dir was auszurichten.«
Das schien ihn nicht groß zu stören.
»Ich soll dir von Michael sagen, daß er die Schlüssel bei deiner Nanny läßt.«
»Ich weiß«, sagte er, »ich habe gestern mit ihr telefoniert.«
»Oh.«
»War sonst noch was?«
»Ja. Jemand namens Fabia hat vorbeigeschaut. Sie hat geheiratet und will, daß du im Sommer zu einer Party kommst.«
Er kräuselte abschätzig die Lippen. »Hat sie gesagt, wen sie geheiratet hat?«
»Ähm … einen Typ namens Dane, der Kartoffelchips macht.«
Wieder das Lippenkräuseln.
»Du kennst ihn?«
Er nickte. »Der Ärmste.« Er trank einen Schluck Wein, während er sich mit dem Gedanken vertraut machte. »Na ja … er hat wenigstens Geld, hinter dem sie her ist, wenn schon nicht den Stammbaum.«
Sie zögerte einen Moment und fragte dann: »War sie hinter dir her?«
»Sie war hinter jedem her. Als Prince Charles seine Verlobung bekanntgegeben hat, war sie kurz davor, Trauer zu tragen.«
»Na«, stichelte sie, »Michael hatte den Eindruck, daß du ihr das Herz gebrochen hast.«
»Fabia? Von einem Herz war bei der noch nie die Rede.«
Sie lachte.
»Mit Herzen kenne ich mich aus«, sagte er mit einem warmen Lächeln.
Sie spürte, wie sie rot wurde. Was meinte er denn damit? Rasch wechselte sie das Thema. »Du … äh … hast eine Nanny? Oder hattest eine.«
»Ich hab sie noch. Sie kümmert sich sehr um mich.«
»Ich nehme an, das ist ziemlich alltäglich in England. Ich meine.. nicht alltäglich, aber …«
Er lachte in sich hinein. »Verbreitet.«
»Danke.«
»Nein, eigentlich nicht. Es ist schrecklich teuer geworden.«
»Es ist eine schöne Tradition.«
Er kniff die Augen zusammen, als versuche er, sich an etwas zu erinnern. Dann rezitierte er: »Als unsere Welt nur eine Wiege war, Nanny Marks, als unsere Kindergesichter dich im Dunkeln riefen, hast du uns glücklich gemacht … die Rassel geschüttelt und uns gewickelt. Du warst unser ein und alles, Nanny Marks.«
»Wie süß! Von wem ist das?«
»Äh … Lord Weymouth, glaube ich.«
»Empfindest du so was auch für deine Nanny?«
Er nickte. »Sie hat mich natürlich nicht gewickelt. Ich war schon ein kleiner Junge, als sie zu uns kam. Sie behandelt mich noch immer so. Sie sorgt sich endlos um mich.«
»Gut«, meinte sie. »Ich bin froh, daß du jemand hast, der sich um dich sorgt.«
Er musterte sie einen Augenblick, sagte aber nichts.
Sie gab jede Zurückhaltung auf, griff über den Tisch und drückte seine Hand. »Es ist mir gar nicht recht«, sagte sie.
»Was?«
»Daß du fortgehst.«
»Wirklich?« Er hatte den Druck ihrer Hand noch nicht erwidert.
Sie nickte. Und gab sich Mühe, nicht in Panik zu geraten. »Ich glaube, wir sind uns … viel näher, als wir es zulassen.«
Seine Augenbraue zuckte kaum merklich nach oben.
»Ich bin nicht gekränkt, wenn’s nichts Gegenseitiges ist, Simon. Ich mußte es einfach sagen.«
»Tja, ich …«
»Ist es, Simon?«
»Was?«
»Gegenseitig?«
Endlich drückte er ihre Hand. »Es ist nicht so einfach.«
»Warum?«
»Weil du einen Mann hast. Und er mein Freund ist.«
Ihre Antwort kam von Herzen. »Denkst du, ich würde ihm weh tun?«
»Nein, das nicht.«
»Was dann?«
»Ich reise in zwei Tagen ab.«
»Und Brian ist bis morgen mittag weg.«
Er schaute auf den Platz hinaus. Chinesische Kinder ließen Frisbees in die Abenddämmerung segeln. Sein Blick wurde umflort und undurchschaubar. Er sah sie wieder an. »Würde eine Nacht so viel Unterschied machen?«
»Für mich ja«, sagte sie leise.
Er zögerte und schaute auf seinen Teller.
»Wir sind beide erwachsen«, sagte sie. »Wir wissen, was wir tun.«
»Ja?«
»Ja. Ich schon. Ich weiß, was ich will.«
Er sah sie lange an. Dann streifte sein Blick die Reste ihres
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