Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen
Porzellanschüsseln, in die sie Cornflakes schüttete. Als sie den Kühlschrank öffnete, stieß sie auf eine Schale mit grünlichen Nieren, auf denen pelziger Schimmel wuchs. Sie verzog angewidert das Gesicht und warf sie in den Abfalleimer. Dann goß sie Milch über die Cornflakes und steckte vier Toastscheiben in Teddys verchromten, fleckig angelaufenen Toaster. Zusammen mit Marmelade, Tassen und einer Kanne Tee stellte sie alles auf ein chinesisches Lacktablett und stieg die Treppe zum zweiten Stock hinauf.
Als sie vor der richtigen Tür stand, setzte sie das Tablett ab und klopfte dreimal.
»Es ist offen«, rief von drinnen eine mißmutige Stimme.
Sie drückte die Tür auf, nahm das Tablett und ging hinein. Mouse saß im Bett wie ein Pascha, der seine Konkubine erwartete. Als sie seine mürrische Miene sah, versuchte sie, ihren Groll zu zügeln, so gut es ging. »Fröhliche Ostern«, murmelte sie und stellte das Tablett auf die Truhe am Fußende des Bettes.
»Danke«, sagte er tonlos.
Sie ging ans Fenster. »Es bessert sich. Wenigstens hat der Regen aufgehört.«
Das einzige, was sie darauf zu hören bekam, war ein Grunzlaut.
Sie drehte sich um und sah ihn an. »Hör zu, Mouse. Es tut mir leid, daß ich dich gestern abend angeranzt habe.«
Er weigerte sich, ihr in die Augen zu sehen. »Wenn ich gewußt hätte, daß du so reagierst …«
»Hast du aber nicht«, sagte sie so ruhig, wie sie konnte. »Du hast gar nichts gewußt, und … du hast gedacht, es wär ein gelungener Spaß, hier aufzukreuzen. Das versteh ich.«
Er zwirbelte einen losen Faden an seiner Steppdecke.
»Ich versuch, dir begreiflich zu machen, daß auch ich hier … nur zu Besuch bin. Eigentlich nicht mal das. Ich bin geschäftlich hier. Ich fliege übermorgen nach Seattle zurück. Es geht nicht, daß Freunde von mir … einfach hier reinplatzen. Nachdem sie sich von einer Besichtigungstour abgeseilt haben. Herrgott noch mal.«
Er zuckte mit den Schultern. »Wir hätten gestern abend zurückfahren können.«
»Mouse … in der ganzen beschissenen Grafschaft gibt’s nur ein einziges Taxi.«
»Und das Auto?«
»Welches Auto?«
»Der gelbe Honda im Hof.«
Sie schaute rasch aus dem Fenster. Er hatte recht. Teddy war aus London zurück. »Das ist … äh … heute nacht gekommen.«
»Ach wirklich?« meinte er süffisant. »Hat es auch jemand gefahren?«
Sie warf ihm einen gehässigen Blick zu. »Ich werd sehn, ob euch jemand nach Moreton-in-Marsh fahren kann. Eine Zugverbindung nach London kriegt man fast immer.«
»Ist das Lord Roughton, der heute nacht gekommen ist?«
Sie zögerte mit einer Antwort und nickte schließlich.
»Und ist er dein Klient?«
Sie wandte sich zum Gehen. »Ich hol das Tablett später. Mach dir nicht die Mühe, es runterzubringen.«
»Darf ich das Zimmer verlassen?«
»Wenn du willst. Das Frühstück ist auch für Wilfred.«
»Der treibt sich draußen irgendwo rum«, sagte Michael.
Das machte sie nervös. »Äh … was ist er eigentlich?«
»Wie meinst du das?«
»Komm schon, Mouse … welche Rasse.«
»Aborigine«, sagte er und schien sich diebisch zu freuen. »Mit dem einen oder anderen Holländer und Engländer im Stammbaum.«
»Er macht einen sehr netten Eindruck«, sagte sie.
»Er ist nett.«
»Pimperst du ihn?«
Er funkelte sie wütend an.
»Schon gut, schon gut. Ich kümmer mich um das Auto.«
Sie ging wieder hinunter in die Küche. Dort war es inzwischen viel wärmer geworden, und sie setzte sich eine Weile hin, schlürfte ihren Tee und ordnete ihre Gedanken. Das Rosinenbrot, das sie vorhin auf dem Kühlschrank gesehen hatte, lag jetzt auf der Anrichte. Offenbar hatte sich Teddy rasch etwas zum Frühstück gemacht und war wieder auf sein Zimmer gegangen.
Als sie im Ziergarten jemanden pfeifen hörte, stand sie auf und sah aus dem Fenster. Es war Wilfred, der übermütig wie ein kleiner Hund durch den Sonnenschein lief und das Alleinsein genoß. Sie mußte unwillkürlich lächeln und ging zur Tür.
»In Michaels Zimmer steht Frühstück für dich«, rief sie ihm zu.
Er blieb stehen. »Danke, Mo!« rief er zurück.
Mo? Wo hatte er das denn her?
Sie ging zu ihm. »Schönes Wetter heute, nicht?«
»Super!« Sein ärmelloser Pulli hatte genau die Farbe der Osterglocken am Weg. Er legte den Kopf in den Nacken und atmete tief ein. »Es riecht … so würzig.«
»Das sind die Buchsbaumhecken«, erklärte sie ihm. »Wenn die Sonne draufscheint, fangen sie an zu duften.«
»Hm, was
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