Stadtluft Macht Frei
wichtig den Kölnern die Zwölfzahl war, zeigt sich darin, dass eines der Tore – die Ulrepforte – offensichtlich überhaupt nur zur Erfüllung dieser Zahl gebaut wurde; es besaß ansonsten keinerlei Funktion und war militärisch so gut wie zwecklos. Doch eine heilige Stadt musste zwölf Tore haben, unbedingt. Schon seit dem frühen Mittelalter wurde die Stadt am Rhein als
Sancta Colonia
oder auch als „dat hillige Coellen“ bezeichnet.
Das frühe Christentum hier und die zahlreichen Märtyrerfriedhöfe haben bereits im 10. Jahrhundert einen speziellen Münz-Typ mit Aufschrift
Sancta Colonia
aufgebracht. Dieser Münz-Typ wurde in Köln selbst in großen Mengen ausgeprägt, und viele benachbarte Münzstätten – von Lüttich über Cambrai bis nach Westfalen, ja selbst bis nach Bremen und ins entfernte Halberstadt – haben ihn nachgeahmt und übernommen. Dazu die Vielzahl der Kirchen und geistlichen Einrichtungen, schließlich auch der mächtige Dom selbst – dies alles machte es leicht, vom „Heiligen Köln“ zu reden. Hinzu kam, ebenfalls im 12. Jahrhundert, noch etwas anderes: die Überführung der Gebeine der Heiligen Drei Könige von Mailand nach Köln durch Erzbischof Rainald von Dassel.
|98| „Das heilige Köln“ steigert seine Heiligkeit
Kölner Erzbischof um 1160 war Rainald von Dassel, der Sohn einer aufstrebenden sächsischen Grafenfamilie, der an der Domschule in Hildesheim und in Paris ausgebildet worden war. Rainald war aber nicht nur Kirchenmann, er war Kanzler von Kaiser Friedrich Barbarossa und einer seiner wichtigsten Ratgeber, der auf die Herrschaftsidee des Kaisers maßgeblich einwirkte. Er war zudem ein echter Kriegsmann, der einmal zusammen mit zehn Rittern in Italien 300 feindliche Italiener gefangen genommen hatte. Nicht einmal zwölf Monate lang hat sich Rainald in seiner Amtszeit als Erzbischof in seiner Metropole aufgehalten, er kämpfte lieber in Italien, an der Seite des Kaisers. 1162 war es dem Kaiser gelungen, die Stadt Mailand, das Haupt der feindlichen Lombardenstädte, zu erobern. Dabei fiel den Siegern auch ein Sarg mit drei Leibern in die Hände, die man dort als die Gebeine der „Drei Heiligen Könige“ verehrte. Barbarossa übergab die wertvollen Reliquien Rainald von Dassel, denn niemand, so meinte er, habe dem Kaiser in Italien mit größerer Treue und Ergebenheit gedient als er. 1164 zog Rainald mit den Gebeinen in Köln ein, unter Geläut aller Glocken und dem Jubel des Volkes. Die Gebeine wurden im Dom niedergelegt. Im 13. Jahrhundert schließlich schuf der lothringische Meister Nikolaus von Verdun für sie den berühmten Dreikönigsschrein, eines der schönsten Werke mittelalterlicher Goldschmiedekunst. Die kostbaren Reliquien führten nicht nur dazu, dass Köln seither immer wieder von Kaisern und Königen besucht wurde, sondern sie brachten vor allem unzählige Pilgerscharen in die Stadt. Die Pilger brauchten Nahrung, eine Unterkunft, kauften etwas ein. Gleiches gilt für die Könige, die nicht allein kamen, sondern immer mit Gefolge. So kurbelte die beginnende Wallfahrt zu den Gebeinen der Heiligen Drei Könige das Kölner Wirtschaftsleben an.
|99| Die Mauern des heiligen Köln
Mehr als 60 Jahre dauerte der Bau der Kölner Stadtmauer, über ein halbes Jahrhundert, ein Werk von zwei Generationen. Ende 1259 waren die Arbeiten abgeschlossen. Auch die Bezirke um die Kirchen von St. Pantaleon, St. Severin, St. Mauritius und St. Severin, daneben auch verschiedene Höfe und Handwerkersiedlungen, die von der Erweiterung zu Beginn des 12. Jahrhunderts noch ausgespart geblieben waren, wurden jetzt ins Kölner Stadtgebiet einbezogen. Die neue Mauer hatte schließlich eine Gesamtlänge von ca. zehn Kilometern. Neben den zwölf Torburgen besaß die Mauer insgesamt 52 Wehrtürme. Mit Ausnahme der Kahlenhausener Pforte verfügten alle Torburgen über eine offene Verteidigungsplattform als Dach auf dem Zentralbau, mit Zinnen bewehrt. Sieben der Tore waren große Doppelhalbrundturmtorburgen, etwa das Eigelsteintor und das ähnlich gebaute Gereonstor. Nach Vollendung der Arbeiten im 13. Jahrhundert war Köln die mächtigste Festungsstadt nördlich der Alpen.
Um einen Vergleich zu gewinnen: Die Kölner Mauern waren größer als die von Paris, der größten Fes-tung Frankreichs im hohen Mittelalter und einer der größten Städte des mittelalterlichen Europa überhaupt. In der Zeit des mächtigen französischen Königs Philipps II. August um 1190 begonnen, wurde die
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