Stadtluft Macht Frei
Köln, die sich in ihrem Titel des antiken Namens der Siedlung bediente. Die
Agrippina
verfolgte ein anspruchsvolles Programm: eine Gesamtgeschichte der Stadt, eine komplette Historie von den Anfängen bis in die Gegenwart. Doch trotz der Größe der Stadt, ihres Bevölkerungsreichtums, ihrer Freiheiten, ihres großen Ansehens überall taten sich die Kölner mit der Gattung „Stadtgeschichtsschreibung“ im Ganzen eher schwer. Das gilt auch für das wohl bekannteste Beispiel Kölner Stadtgeschichtsschreibung im Mittelalter, die 1499 erschienene
Koelhoffsche Chronik
. Auch ihr Verfasser orientierte sich – wie Heinrich van Beeck in seiner
Agrippina
– an einem heilsgeschichtlichen Schema. Auch er teilte die Geschichte ein in den Ablauf der „sechs Weltalter“, einem in der Spätantike entwickelten Modell, das die Lebensstufen des Menschen von der Wiege bis zur Bahre mit den Epochen der Menschheitsgeschichte gleichsetzte. Auch die
Koelhoffsche Chronik
orientierte sich am beliebten Schema der Papst-Kaiser-Chronik, das heißt, alle Päpste und Kaiser werden namentlich erwähnt, und gleichsam dazwischen wird die Geschichte der Stadt platziert, man könnte auch sagen: gequetscht. Auch der Verfasser der
Koelhoffschen Chronik
hat das Modell der Weltgeschichte noch nicht aufgegeben. Eine eigentliche Geschichte der Stadt Köln, gewissermaßen ohne die Welt als permanente „Beigabe“, sollte erst den Werken der Zukunft vorbehalten bleiben.
Dennoch befand sich die
Koelhoffsche Chronik
auf der Höhe der Zeit. Und auf eine Weise, die nicht mehr zu überbieten war.
|136| Bücher im Druck – Der Beginn eines neuen Zeitalters
Gedruckte Bücher – das war damals eine Kunst, die noch nicht alt war. Höchstwahrscheinlich um 1444 wurde von dem Mainzer Johannes Gensfleisch genannt „Gutenberg“ zum ersten Mal in Europa ein Buch mit beweglichen metallenen Lettern hergestellt. Die neue Kunst war eine Revolution, und wie Revolutionen in der Politik einen bisherigen Zustand umwälzen, nichts unverändert lassen, so hat auch diese Revolution gewaltige Veränderungen bewirkt. Bücher, die bislang mühevoll von Hand abgeschrieben werden mussten, konnten nun sehr viel schneller und vor allem in größerer Zahl hergestellt werden. Nicht zu Unrecht spricht man von einem neuen Zeitalter, das mit der Erfindung des Buchdrucks begann, dem Gutenberg-Zeitalter. Es war der Beginn eines neuen Medienzeitalters; zu Ende gegangen ist es bis heute nicht, allen Veränderungen, welche das Internet und die Möglichkeit der Online-Publikationen mit sich bringen, zum Trotz. Frühe Druckwerkstätten entstanden damals in vielen Städten des Heiligen Römischen Reiches, etwa in Straßburg, in Nürnberg oder eben – in Köln.
Warum? Die Antwort ist einfach: Die Chronik ist nicht mehr als Handschrift auf den Markt geworfen worden, sondern in gedruckter Form. Sie ist im neuen Medium des Buchdrucks erschienen.
Der Name
Koelhoffsche Chronik
hat mit dem Verfasser nichts zu tun. Wer das Werk, dessen eigentlicher Titel „Chronik von der heiligen Stadt Köln“
( Cronica van der hilliger Stat van Coellen
) lautet, letztlich geschrieben hat, wissen wir nicht. Es gibt verschiedene Vermutungen, doch sie bleiben – Vermutungen. Tatsache ist: Der Name
Koelhoffsche Chronik
geht zurück auf den Kölner Drucker und Verleger Johann Koelhoff den Jüngeren. Wir wissen von ihm, dass er an der Kölner Universität studiert hat, daraufhin im Viehhandel tätig war und schließlich 1493 das Druck- und Verlagsgeschäft seines Vaters übernahm. Etwa 30 Titel hat Koelhoff in seiner „Offizin“, seiner Druckwerkstätte, produziert. Die nach ihm benannte Chronik war einer davon. Doch durch das neue Medium des Druckes, dessen sich |137| hier bedient wurde, konnte die Chronik ein sehr viel breiteres Publikum erreichen als eine traditionelle Handschrift dies vermocht hätte. Gut ablesen können wir dies an der sogenannten „Rezeptions geschichte “ der Chronik. Ihre unmittelbare Vorgängerin, die
Agrippina
des Heinrich van Beeck, ist, wie wir wissen, nicht sehr häufig benutzt und gelesen worden. Bei der
Koelhoffschen Chronik
war dies ganz anders. Und so konnten viel mehr Kölner Bürger als bisher – vorausgesetzt, sie konnten lesen und besaßen einen Sinn und ein Interesse für Geschichte – etwas hören von den Wechselfällen des vergangenen Lebens in ihren Mauern, von den Freiheiten und Würden ihrer Metropole, von der „Chronik der heiligen Stadt Köln“.
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