Stadtmutanten (German Edition)
müsste ich mal wieder duschen.«
»Wo musst du hin?«
»In die Almatastraße.«
»Ins Hochhaus?«
»Ja. 7. Stock.«
»Wieso wohnst du denn ausgerechnet da? Hast du nichts anderes gekriegt?«
Er lächelte.
»Marek, du wirst es mir nicht glauben, aber mir gefällt der Ausblick. Und irgendwie mag ich das Gebäude.«
Das Hochhaus in der Almatastraße war mit seinen 18 Stockwerken und etwa 68 Metern Bauhöhe das höchste Gebäude in Bremen Walle. Ich hatte mir einmal mit Katie eine Wohnung dort angesehen. Die Wohnung war in Ordnung gewesen und sehr erschwinglich. Aber mich hatte die sterile Atmosphäre auf den Gängen abgeschreckt. Kein Ort, um dort ein Kind aufzuziehen.
Wir beschlossen, Enrico bis zur Kreuzung Lange Reihe / Waller Heerstraße zu begleiten. Auf dem Weg zeigte ich ihm das Haus, in dem ich mit meiner Familie wohnte und sagte ihm, er solle bei Bedarf bei Winter klingeln. An der Kreuzung machten wir eine Pause auf dem Parkplatz von Pit Stop und schauten über die Heerstraße. Gegenüber lag nur einen Steinwurf entfernt das Area 51 in einem Keller. Der kürzeste Weg zum Almatahaus führte daran vorbei. Ich fragte Enrico, ob er nicht doch mit uns kommen wolle.
»Danke, aber macht euch um mich keine Sorgen. Sieht alles ruhig aus, oder?«
Und er hatte Recht. Es war ruhig. Ich machte noch einen letzten Versuch.
»Hey, du kannst dich auch bei mir unter die Dusche stellen. Was sagst du?«
»Danke, aber ich hab ´ne Katze. Und ich kann nicht mehr sicher sein, ob mein Nachbar noch in der Lage ist, nach ihr zu sehen. Ich mach mir Sorgen, OK?«
Wir gingen zusammen die kleine Nebenstraße hinter dem Pit Stop entlang und passierten den alten Bauernhof, der auf mich so mitten in der Stadt immer wie ein Anachronismus wirkte. An der Hauptstraße hielten wir inne. In einiger Entfernung taumelten ein paar Figuren die Straße entlang, sonst niemand. Enrico musste die Straße überqueren und am Ende in eine kleine Gasse laufen, die vorbei an Wohnhäusern und einem weiteren Bunker fast direkt vor das Almatahaus führte. Er wandte sich uns noch einmal zu. Er schien nun doch etwas nervös.
»OK, ich mach mich vom Acker. Noch mal zum Mitschreiben: Was mach ich, wenn mir eins von diesen Arschlöchern entgegen kommt?«
»Du läufst weg. Versteckst dich.«
»Und wenn ich entdeckt werde? Oder nicht weglaufen kann? Die Gasse ist ziemlich eng und da stehen überall Häuser.«
»Dann haust du ihm eins auf die Rübe. Ignoriere den Rest. Konzentriere dich auf den Schädel. Das mögen die nicht. Alles andere lässt sie kalt.«
Ben mischte sich ein.
»Und sie haben keine Schmerzen. Merk dir das. Keine Schmerzen. Du machst sie wütend, aber du tust ihnen nicht weh.«
»OK, wegrennen und verstecken, wenn das nicht geht, eins auf die Rübe. Das mit den Schmerzen ist mir zu hoch.«
»Macht nichts, hau dem Arsch einfach eins auf die Rübe und gut ist.«
»OK. Sonst noch was?«
Lila schaltete sich zu meiner Überraschung ein.
»Du suchst dir besser eine Waffe. Irgendwas. Einen Stein oder so. Das ist besser. Und Enrico…«
»Was noch?«
»Es könnte jemand sein, den du magst. Denk dran.«
Er lächelte.
»Ich mag sowieso niemanden hier. Außer euch und meinem Nachbarn vielleicht, und ihr seid noch normal.«
Ben und ich warfen uns einen viel sagenden Blick zu, widersprachen ihm aber nicht.
»OK, wenn ihr mich besuchen wollt, klingelt einfach bei Kruse.«
Ich fand, dass Kruse nicht gerade kanadisch klang und sagte Enrico das.
Er zuckte mit den Schultern.
»Na und?«
Mehr hatte Enrico zu dem Thema nicht zusagen. Er war schon ein komischer Kauz, aber ich begann, ihn wirklich zu mögen. Aus einiger Entfernung ertönte das Geräusch von zerspringendem Glas, gefolgt von einem Schrei. Dann ein triumphierendes Brüllen. Enrico warf einen hastigen Blick auf die Straße, die aber noch immer frei war.
»OK, ich hau ab. Wir sehen uns.«
»Viel Glück.«
Enrico lief los und nahm sich einen Ziegelstein, den er am Straßenrand fand. Dann rannte er über die Straße, verlangsamte kurz das Tempo, bevor er in die Gasse einbog. Einen Moment später war er verschwunden. Ich hatte ein schlechtes Gewissen. Ich wünschte, ich hätte ihn überzeugen können, mit uns zu kommen. Aber wir konnten ihn schließlich nicht gegen seinen Willen einsperren. Außerdem hatte ich schon immer Katzen gemocht und respektierte daher seinen Entschluss. Also gut. Zeit, sich den Dämonen in meiner Wohnung zu stellen.
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