Stadtmutanten (German Edition)
an.
»Was seid ihr denn für Typen?«
Ich wollte antworten, aber es kam nur ein heiseres Keuchen.
»Und was zum Henker ist da vorn los? Und was sind das für Penner?«
Ich drehte mich um und sah, dass ein Teil der Meute noch vielleicht zwanzig Meter entfernt war. Sie hatten es auf uns abgesehen. Irritiert stellte ich fest, dass sie alle lange Haare hatten und Metal T-Shirts trugen.
»Verdammt«, keuchte ich, »die sind gleich hier! Nimmst du uns jetzt mit rein?«
»Was?«
»Verdammt noch mal, jetzt komm!«
Ich zog ihn zum Eingang des Bunkers und er kam zum Glück mit, schaute sich aber noch ein paar Male um.
»Habt ihr euch mit den Besoffskis angelegt?«
»Versuchst du, witzig zu sein?«
Als wir alle den Bunker erreicht hatten, schaute ich noch einmal heraus. Die Verfolger waren nicht mehr weit. Ich betete, dass die Tür so massiv war, wie sie aussah. Schnell warf ich die Tür ins Schloss.
»Abschließen!«
Zu meiner Überraschung gab es diesmal keine Diskussion.
Als die Tür verriegelt war, setzte eine kurze Stille ein. Dann begann das Klopfen und Hämmern. Wir bekamen Angst, aber unser Begleiter blieb entspannt.
»Das schaffen die nie. Ohne Stemmeisen kommt hier keiner rein, und selbst damit wird es schwer.«
Ich warf einen Blick auf die Tür hinter uns und nickte. Die Tür öffnete nach außen und war sehr gut in Schuss. Sie würde standhalten.
Unser neuer Gastgeber führte uns in eine Nische, in der sich eine Ladung Gerümpel staute.
»Das ist von irgendwelchen Typen, die ausgezogen sind und ihren Scheiß nicht mitgenommen haben.«
Er griff sich einen Stuhl und etwas Klebeband. Dann ging er zurück zum Eingang und verrammelte den Türgriff mit dem Stuhl. Alles wurde mit dem Tape gesichert.
»OK, better safe than sorry, wie mein Alter immer sagt.«
»Bist du Amerikaner oder so?«, wollte Lila wissen.
»Kanadier. Und wer seid ihr?«
Wir nannten unsere Namen.
»Und ich bin Enrico. Ich habe hier meinen Proberaum. Kommt mit, ich zeige euch mein Reich!«
Der Proberaum war erstaunlich stilvoll eingerichtet, obgleich er nicht gut roch. Auf einem Tisch stand ein Laptop, daneben einige Musikinstrumente. Als guter Gastgeber stellte Enrico uns seine Familie vor:
»So, darf ich vorstellen? Hier ist mein Laptop, den benutze ich aber nur zum aufnehmen und mastern. Ich weiß, man kann das alles auch mit VSTs machen, aber ich mag Hardware, wenn ihr versteht, was ich meine.«
Das taten wir nicht. Enrico war das egal.
»Hier ist meine Roland MC 505, Hier ist ein Korg Monotron, eine unglaubliche Krachmaschine. Und so billig, dass ich nicht widerstehen konnte.«
Er stellte uns noch mehr kleine elektronische Spielzeuge vor und sah dabei aus, als könne er tagelang über seine Lieblinge quatschen. Nachdem er mit seiner Demonstration fertig war, verschwand der schwärmerische Ausdruck aus seinem Gesicht.
»Soviel dazu. Und jetzt setzt euch, nehmt euch ein Haake und erzählt mir, was da draußen los war.«
Wir setzten uns auf das gemütliche Sofa, Enrico ließ sich in seinen Chefsessel fallen. Er verteilte im Sessel herumrutschend Bier in Handgranatenflaschen und schaute uns auffordernd an. Er schien angesichts der Belagerung vor der Bunkertür überhaupt nicht beunruhigt zu sein. Ich musste grinsen.
»Du hast von der ganzen Scheiße nichts mitbekommen?«
»Welche Scheiße?«
»Wie lange bist du schon hier?«
»Seit gestern früh. Ich hab die ganze Zeit an meiner neuen Platte gearbeitet, zwischendurch geschlafen, gegessen, gekifft. Auf dem Gang gibt’s ein Klo, das momentan sogar sauber ist, also konnte ich auch kacken. Wieso sollte ich rausgehen?«
»Und wieso bist du vorhin raus?«
»Ich hatte einen kleinen Bunkerkoller. Die Einsamkeit und die Monotonie, ihr wisst schon. Ich brauchte Abwechslung. Etwas frische Luft.«
Ben lächelte schief. »Na, die hast du ja auch bekommen. Sag mal, hast du eben was von Kiffen gesagt?«
»Ist noch was da. Ich hätte euch was angeboten, aber ich wusste nicht, wie ihr so drauf seid. Soll ich einen bauen?«
»Dann redet es sich auf jeden Fall besser.«
Ich blickte mich kurz zu Ben um. Er war in seinem Metier, das merkte man. Sein Redeanteil war seit gestern Abend immer weiter geschrumpft. Aber mit Drogengequatsche und Small Talk kannte er sich aus. Enrico baute inzwischen mit der Sicherheit eines Gewohnheitskiffers einen Joint. Während er damit beschäftigt war, betrachtete ich unseren Gastgeber genauer und versuchte ihn einzuschätzen. Der Mann war ein Unikat,
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