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Stadtmutanten (German Edition)

Stadtmutanten (German Edition)

Titel: Stadtmutanten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Strahl
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Belustigt stellte ich fest, dass mein jugendlicher Nachbar harmlos war. Wir hatten ihn nicht etwa beim Verspeisen seiner Eltern gestört, sondern beim Frühstück. Ich senkte meinen Spaten.
    »Hi Marty!«
    Er schaute auf meinen Spaten, dann in mein Gesicht. Hinter seinem Gesicht arbeitete es sichtlich.
    »Hi Marek.«
    »Wurdet ihr nicht evakuiert?«
    »Meine Eltern schon.«
    Alarmiert schaute Marty zu Lila und Ben.
    »Wer sind die beiden? Und warum bist du noch hier?«
    »Ist ´ne lange Geschichte. Und wieso bist du noch hier?«
    »Auch ´ne lange Geschichte.«
    »Willst du sie erzählen?«
    Er warf einen Blick in die Wohnung und lächelte verschmitzt.
    »Ich hab nicht aufgeräumt. Wollt ihr trotzdem reinkommen? Ist gemütlicher als der Hausflur.«
    Lila übernahm die Antwort für mich.
    »Wenn du eine Toilette hast. Ich muss dringend Pippi.«
    »Gleich neben der Haustür, ich zeig’s dir.«
    Also gingen wir rein. Marty schloss hinter uns ab, führte Lila dann zur Toilettentür.
    »Mein Zimmer ist gegenüber. Bis gleich.«
    Ich warf einen Blick durch die Wohnung und unterdrückte ein Schmunzeln. Die Evakuierung war keine 24 Stunden her und trotzdem sah die Wohnung aus wie ein Schweinestall. In der Küche stand benutztes Geschirr, im Wohnzimmer lag alles durcheinander, hinzu kam der beißend-süßliche Geruch von Marihuana. Nein, Marty hatte nicht nur wimmernd in der Ecke gesessen. Er hatte es sich in Abwesenheit seiner Eltern gut gehen lassen. Richtig gut, wie es schien.
    In Martys Zimmer herrschte das Chaos: Überall lagen Klamotten, Chipstüten und andere Dinge. Wollmäuse säumten den Laminatboden in den Ecken des Zimmers. Marty räumte das Sofa frei, indem er die darauf liegenden Sachen einfach auf den Boden warf. Um noch mehr Platz zu schaffen, nahm er zusätzlich den in der Mitte des Zimmers hängenden Punchingball vom Haken und warf ihn ebenso achtlos in die Ecke. Er setzte sich gegenüber auf seinen Schreibtischstuhl - einen ausgewachsenen Chefsessel. Ben und ich nahmen auf dem Sofa Platz. Ben deutete anerkennend auf den Sessel.
    »Netter Sessel.«
    »Geiles Teil, oder? Und jetzt kommt’s: Den hab ich vom Sperrmüll! Kein Scheiß. Den hat irgendein Idiot weggeschmissen, als er aus dem Haus gegenüber ausgezogen ist.«
    Lila kam ins Zimmer, hob angesichts des Zustands des Zimmers eine Augenbraue, setzte sich dann neben Ben, wobei sie versuchte, möglichst wenig von dem Bezug des Sofas zu berühren. Ich nahm mir vor, ihr diese Haltung nicht allzu lang zuzumuten und kam zur Sache.
    »OK, dann erzähl mal: Warum bist du noch hier?«
    »Das ist eigentlich schnell erzählt. Ich war vorgestern bei ein paar Kumpels auf einer LAN-Party. Wir haben die ganze Nacht gezockt und dabei gekifft wie die Blöden. Als ich nach Hause kam, waren meine Eltern schon weg.«
    »Wann war das?«
    »Weiß nicht, 17 Uhr oder so. Naja, auf jeden Fall haben sie mir einen Zettel geschrieben, dass sie evakuiert worden sind und dass ich auch kommen soll. Also hab ich meinen Rucksack geschnürt und bin zum Bahnhof. Aber als ich ankam, war die ganze Aktion schon vorbei und alle haben Randale gemacht und so. Und da liefen überall diese Dinger rum. Da bin ich wieder nach Hause.«
    Ben runzelte die Stirn.
    »Da stimmt doch was nicht. Hey Marty, hast du eben nicht gesagt, du bist hier um fünf Uhr nachmittags angekommen?«
    »Ja, so in etwa.«
    »Und als du beim Bahnhof Walle ankamst, war schon alles vorbei?«
    »Ja.«
    »Wir sind auch erst um 16 Uhr abgeholt worden. Und der Bus hat ewig gebraucht. Und dann standen wir endlos lang in der Schlange. Die Randale fing erst Stunden später an. Wie lange hast du denn für die paar 100 Meter gebraucht?«
    Marty rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her, dann nahm er sich seinen Tabak und drehte sich eine ziemlich zerbeulte Zigarette.
    »Du hättest mit deinen Eltern im Zug sitzen können!«
    »Ist ja gut. Ich bin nicht sofort losgegangen.«
    »Nicht sofort?«
    »Naja, ich hab erstmal geduscht, dann dachte ich mir: OK, wenn meine Eltern mal nicht da sind, kann ich ja noch einen rauchen und ein bisschen Musik hören. Und dann muss ich kurz eingenickt sein.«
    Nun wurde Lila wütend.
    »Mein Gott, glaubst du nicht, dass deine Eltern sich vielleicht Sorgen machen, wenn ihr Sohn in so einer Situation nicht auftaucht? Die denken doch, du bist tot! Aber lieber erstmal einen kiffen.«
    »Das war bescheuert, ich weiß. Aber jetzt kann ich das auch nicht mehr ändern, OK?«
    Lila wollte noch etwas erwidern,

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