Stadtmutanten (German Edition)
behutsam, wie er betonte, das Kokain von ihr herunter geschnitten, sie in eine angenehme Position gelegt und zugedeckt. Dann hatte er das Kokain in einem herumliegenden Rucksack verstaut und mir geholfen.
Nachdem wir aufgeraucht hatten, gingen wir gemeinsam herunter, wobei ich mich von Ben stützen ließ. Ich hatte den Schock recht gut weggesteckt, war aber noch etwas wackelig auf den Beinen. An der Haustür klopften wir wie verabredet. Dann ein zweites Mal etwas nachdrücklicher. Und noch einmal richtig laut und wütend. Wir riefen Andrejs Namen durch den Zeitungsschlitz. Andrej antwortete nicht. Er hatte uns im Stich gelassen.
Wir überlegten, was wir tun könnten. Aufgrund meiner Beinverletzung kam ein Sprung aus dem ersten Stock nicht in Frage und Ben weigerte sich, die Haustür aufzubrechen oder die Bretter von den Fenstern im Erdgeschoss zu entfernen, da er seine schlafende Schönheit in Sicherheit wissen wollte. Ich verkniff mir entsprechende Kommentare. Wie dem auch sei, wir beschlossen zunächst nachzuschauen, ob irgendwo im Haus ein Zweitschlüssel lag, den Fatimas Bruder nicht entdeckt hatte. Unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich. Ich übernahm das Erdgeschoss, während Ben sich die oberen Geschosse ansah, was ihm natürlich auch die Möglichkeit gab, seiner Angebeteten einen Besuch abzustatten. Ich klapperte zunächst die gängigen Verstecke ab, ohne dass ich mir viel davon versprach: Unter der Fußmatte hatte Fatimas Bruder garantiert selbst nachgeschaut. Die herumliegenden Leichen machten den Job nicht angenehmer, viel zu gerne hätte ich mir ihren Anblick und den Geruch von Blut in der Nase erspart, aber es half nichts. Ich wünschte mir nur, ich müsste nicht auch noch in ihre Hosentaschen schauen. Tat ich aber. Ergebnislos. Mist. Schließlich entdeckte ich im Wohnzimmer einen Haufen Spielzeuge und nahm jedes Teil genau unter die Lupe. Genau dort wurde ich endlich fündig. In einem Wohnmobil von Playmobil fand ich einen Schlüsselbund mit etwas, das wie ein Postkastenschlüssel aussah und einen Haustürschlüssel. Ich eilte zur Haustür und testete ihn: Er passte. Fatimas Bruder hatte noch keine eigenen Kinder und ganz offensichtlich keine jüngeren Geschwister. Ansonsten hätte er gewusst, dass kleine Kinder viele reale Situationen nachspielen. Vielleicht besaß diese Familie auch ein Wohnmobil und das Kind hatte mitbekommen, wie etwa die Mutter den Vater daran erinnerte, auch ja nicht zu vergessen, einen Ersatzschlüssel im Wohnmobil zu deponieren. So einfach war das manchmal. Wir hatten viel Glück gehabt und ich war ein wenig stolz, dass gerade mein Sohn mich auf die rettende Idee gebracht hatte. Zum ersten Mal seit Stunden erlaubte ich mir, an meine Lieben zu denken. Ich hoffte, zusammen mit Kai und Katie noch viele Urlaube erleben zu können. Dann rief ich Ben.
Das Gehen mit zwei frischen Bisswunden im Bein war kein Spaß für mich. Daher beschlossen wir, den kürzesten Weg zu Egor zu nehmen. Auf den Straßen Gröpelingens war zwar immer noch viel los, aber Andrej hatte offensichtlich die Gefahr auf den Straßen übertrieben. In Wirklichkeit war der direkte Weg zu Egor wesentlich ruhiger und sicherer als Andrejs Route. Langsam dämmerte es uns, dass Andrej uns von Anfang an verladen hatte. Der chaotische Hinweg durch die Gefahrenzonen dieses Teils von Gröpelingen war offenbar seine Versicherung, falls wir es doch lebend aus dem Haus schafften: Ortsunkundige wären blindlings in die Straßenkämpfe gelaufen und hätten quasi als Kollateralschaden ihr Leben ausgehaucht. Ich kannte mich jedoch einigermaßen aus und geleitete Ben trotz meines Handicaps in der halben Zeit zurück zu Egors Haus.
Als wir die Klingel betätigten, wurden wir prompt hineingesummt. An der Wohnungstür erwartete uns ein grinsender Andrej. Das Grinsen erstarb auf der Stelle, als er unsere Gesichter sah. Ohne Vorwarnung schnellte Bens Hand aus und packte den völlig perplexen Andrej am Kragen.
»Was ist, Andrej? Hast du jemand anderes erwartet?«
Der Ben, den ich kannte, war wieder da. Zu 100% im Hier und Jetzt. Wir hatten das Überraschungsmoment auf unserer Seite und diesen Vorteil spielte Ben erbarmungslos aus. Er packte mit beiden Händen zu und drückte Andrej an die Wand.
»Was ist? Hat es dir die Sprache verschlagen, du erbärmlicher Feigling? Dachtest, wir schaffen es nicht zurück?«
Die Küchentür öffnete sich und Egor stand im Flur.
»Was geht hier vor?«
Dann sah er uns.
»Marek? Ben? Andrej, was
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