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Stadtmutanten (German Edition)

Stadtmutanten (German Edition)

Titel: Stadtmutanten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Strahl
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Wurzelbehandlungen beim Zahnarzt ohne Narkose machen. Selbst Aspirin gab es nur in absoluten Ausnahmefällen. Wie konnte ich das nur vergessen? Ich wusste, ich hatte in diesem Moment einen Freund verloren. Peter Hiob war nicht der Mensch, der einfach verzeihen konnte. Ich machte, das ich herauskam und fühlte mich lausig.
     

 
     
     
     
    15 SCHALL, RAUCH UND BIER
     
     
    Deprimiert ging ich zurück in meine Wohnung. Ich hätte alles darum gegeben, Katie und Kai in meine Arme zu schließen und mich von ihnen trösten zu lassen. Doch sie waren nicht da. Stattdessen konnte ich alles in mich hineinfressen oder nach unten gehen und mein Herz zwei halbwüchsigen Kiffern und einer nicht viel älteren jungen Frau ausschütten.
    Ich ging also hinunter, legte die Beichte ab und erhielt Absolution. Die Hiobsgeschichte verschwieg ich, die ging nur mich etwas an. Meine Beichtväter waren ehrlich besorgt und erkundigten sich nach meinem Bein und ob ich Albträume gehabt hätte. Ich log, ich sei OK. Auf mein Bein bezogen stimmte das sogar. Aber mein Gewissen nagte an meinem Herzen wie ein Tier und ich konnte mich nicht von der Schuld freisprechen, die ich auf mich geladen hatte. Dabei ging es mir weniger um Egor und Andrej. Andrej hatte uns verraten und wollte uns töten. Um ihn machte sich mein Unterbewusstsein keine Gedanken. Auch der Biss, der Egor sicherlich inzwischen zu einem blutgierigen Monster gemacht hatte, ließ mich relativ kalt. Viel schwerer aber wog das Gefühl, zum wiederholten Male getötet zu haben. Die Ausrede, dies seien keine Menschen, zog nicht mehr. Man sagt, Unwissenheit sei ein Segen. Ich hätte in dem Moment alles gegeben, um weniger über die Totenmänner zu wissen. Die Begegnung mit Dimitri hatte eindrucksvoll bewiesen, dass ein großer Teil von ihnen gerettet werden konnte. Ich hatte in Notwehr gehandelt, klar. Aber war ich in einigen Momenten nicht etwas schnell mit dem Knüppel gewesen? Hätten Ben und ich nicht Eric und Marty von dem Spielplatz retten können, ohne die sie belagernden Beißer zu töten? Am schlimmsten war die Gewissheit, hoffnungslos egoistisch zu handeln. Wir hatten all diese Menschen getötet, nur um an die Substanz zu gelangen, die uns retten würde. Warum nur uns? Warum verteilten wir nicht das Kokain im ganzen Sperrgebiet und gaben den Infizierten ihre Selbstbestimmung zurück? Es war nicht recht, dass wir darüber bestimmten, wen wir retten wollten und wen nicht. Ich hatte es Hiob angeboten und eine Abfuhr bekommen. Aber ich wette, manch anderer würde eine Prise von dem kostbaren Pulver und die darin liegende neue Perspektive mit Dankbarkeit annehmen. Aber wir taten all dies nicht. Keiner von uns hatte je einen derartigen Gedanken geäußert.
    Stattdessen spielten wir Ballerspiele im Netzwerk. Wir holten dazu den Laptop von Martys Eltern und meinen PC in Martys Zimmer und ballerten mächtig drauf los, wobei Eric und Marty sich jeweils abwechselten; einerseits, um Lila und mir überhaupt eine Chance zu lassen, andererseits um ab und zu ein Tütchen zu bauen. Lila schlug sich ganz gut, ich war viel zu langsam und wurde jedes Mal nach kurzer Zeit von Eric oder Marty erledigt. Die beiden waren kaum mehr in der Lage, auch nur drei zusammenhängende Sätze ohne Pause zu formulieren. Aber ihre Finger wussten genau, was sie taten. Irgendwann kam Ben und gesellte sich zu uns. Nun, da Ben da war, fühlte ich mich weniger wie ein alterndes Relikt. Lila verhielt sich die ganze Zeit über erstaunlich neutral und redete mehr mit Marty und Eric als mit mir. Ihre anfängliche Abscheu gegen Martys Sofa hatte sie abgelegt und kuschelte sich mit Hingabe ins Futter, während sie mit den Jungs herumalberte. Sie schien sich endlich von mir zu lösen. Das war eine gute Aussicht, denn ich hatte weiß Gott andere Probleme, als mich weiter von ihr verwirren zu lassen. Als das Spiel seinen Reiz verloren hatte, hatten wir die grandiose Idee, irgendwo ein Bierchen trinken zu gehen. Und warum sollte nicht irgendein Gastwirt geöffnet haben?
    Unsere Wahl fiel auf das Karo, eine Raucherkneipe unweit der Waller Heerstraße und damit nah an Bens Pension. Auf dem Hinweg teilten Ben und ich die Aufgaben unter uns beiden auf: Der weniger gehandicapte Ben spielte den Späher und kundschaftete zu passierende Straßen und Häuserblocks aus, während ich unsere Begleiter bewachte. Eric und Marty waren zwar der Meinung, sie könnten auf sich selbst aufpassen, aber niemand widersprach, als ich erwähnte, ein

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