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Stadtmutanten (German Edition)

Stadtmutanten (German Edition)

Titel: Stadtmutanten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Strahl
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drückte ab. Als das Bild entwickelt war, legte er es vor meine Nase auf den Tisch und drückte mir einen wasserfesten Folienstift in die Hand. Ich schaute ihn fragend an.
    »Schreiben Sie: Für Adrian - das ist mein Sohn - und dann ihren Namen.«
    »Ein Autogramm?«
    »Ja! Er wird ausflippen vor Freude.«
    »Heißt das, Sie wohnen außerhalb des Sperrgebietes?«
    »Ach, hat der alte Tobias das nicht erzählt? Jeder von uns wird zu seiner Schicht vom Bahnhof aus hierher eskortiert.«
    Ich war plötzlich vor Aufregung wie weggetreten. Dieser Mann war jeden Tag mit einem Fuß in der Freiheit. Und damit in Reichweite von Katie und Kai.
    »Was macht Sie so nervös?«, wollte er wissen.
    »Ich… ich gebe Ihnen das Autogramm. Würden Sie dafür eine Kleinigkeit für mich tun?«
    »Nun ich weiß nicht…«
    »Wird Adrian sehr stolz machen.«
    Er lachte. »Also gut, lassen Sie hören!«
    »Nehmen Sie Ihr Handy und filmen Sie mich. Ich möchte meiner Frau und meinem Sohn sagen, dass es mir gut geht. Dann lassen Sie es Ihren Sohn online stellen.«
    Der Polizist lächelte. »Mein Freund, das mache ich gern. Es muss schrecklich sein, von seiner Familie getrennt zu sein.«
    »Sie haben keine Vorstellung.«
    Also zückte er sein Handy und ich sprach. Mir gehe es gut und ich hoffe, es gehe ihr und unserem Sohnemann auch gut. Ich versuchte, ihre Sorgen wegen des Videos im Internet zu zerstreuen und verabschiedete mich mit Liebesbekundungen und Grüßen an Kai. Wenn ich es jetzt schreibe, fühlt sich das alles sehr banal an, aber in dem Moment waren die Worte bedeutsam und ich bin sicher, dass es sich bei Katie ebenso angefühlt hat - oh ja, ich bin sicher, dass sie es gesehen hat.
    Der Beamte speicherte die Nachricht ab und lächelte mich mitfühlend an. Ich stellte fest, dass meine Augen voller Tränen waren. Ich schämte mich nicht. Ich fand, nach allem, was ich erlebt hatte, konnte ich mir einen Moment der Schwäche leisten. Vielleicht würde der Gefühlsausbruch meinen Fans auf YouTube nicht passen, aber das war mir egal.
    Der Beamte brachte mich noch zur Tür und sagte mir, der Transport zum Krankenhaus würde von den Kollegen an der Polizeistation nahe der Waterfront, dem Einkaufszentrum in dem Gebäudekomplex des ehemaligen Space Park, durchgeführt. Da die Informationswege momentan etwas langsam waren, müsste ich bis zum nächsten Tag warten. Wenn ich dort mittags auftauchte, würde man mich zum Krankenhaus bringen.
    Wieder auf der Straße überlegte ich, was ich nun tun sollte. Nach Hause konnte ich nach meinem Abschied von Lila nicht. Das hätte die Sache nur verschlimmert. Dann erinnerte ich mich an den Schlüssel, den Ben mir vor gefühlten Ewigkeiten gegeben hatte und fand ihn tief vergraben in meiner Jackentasche. Also machte ich einen kleinen Abstecher zu Bens Ferienwohnung. Oben angekommen merkte ich, wie sehr ich die Einsamkeit genoss. Ich schaute in den Küchenschrank und fand Kaffee. Ich kippte mir einen gehäuften Kaffeelöffel von dem duftenden Pulver in einen Kaffeebecher und kippte sprudelnd kochendes Wasser aus dem Wasserkocher darauf. Im Kühlschrank fand ich eine ungeöffnete Packung H-Milch. Grinsend goss ich einen Schuss in meinen Kaffee und nahm gleich noch einen großen Schluck aus der Milchtüte. Es war schön, wieder einmal richtige Milch anstatt des Kaffeeweißers zu trinken, den wir bei Murat gefunden hatten. Nachdem ich rauchend den Kaffee geschlürft hatte, warf ich einen tieferen Blick in Bens Vorräte und fand eine Dose Ravioli, die ich mir auch noch einverleibte. Als ich mir danach meinen zweiten Kaffee aufsetze, dachte ich an Ben. Was er wohl trieb. Wie es ihm ging. Ob er noch am Leben war. Hatte seine Angebetete ihn angenommen? Oder verspeist? Verdammt, ich brauchte seine Hilfe, seinen Rat. Wie sollte ich die Ärzte davon überzeugen, die Substanz in der Ampulle zu analysieren, ohne mich gleich verhaften zu lassen? Ich musste ihn sehen. Ich hoffte, er war noch er selbst. Ben war erst kürzlich wieder in mein Leben getreten, aber unsere gemeinsame Zeit war sehr intensiv gewesen. Intensiv genug, um Ben als Freund zu bezeichnen. Und ich ging mit dem Prädikat Freund nicht gerade großzügig um. Im Gegenteil, so manche Leute, die mich als ihren Freund bezeichneten, kamen bei mir sehr lange nicht über den Kumpelstatus hinaus. Für mich brauchte es einen Vertrauensbeweis für die Aufnahme in meine Freundesliste. Und da hatten eben diejenigen, die ich nur zum Biertrinken traf, Pech. Natürlich

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