Stadtmutanten (German Edition)
Fatima von diesem Andrej?«, fragte Rita und Ben nickte.
»Richtig«, fuhr ich fort, »Mehmet wollte Enrico und mich fertig machen. Er hat uns ein Schlafmittel oder so gegeben und dann das Zeug gespritzt, das für die ganze Scheiße hier verantwortlich ist. Er hat das wohl von der Armee geklaut oder so. Dann hat er Enrico eingesperrt und mich in einem Tunnel um die Ecke auf eine Bahre gebunden, damit die Totenmänner mich fressen konnten.«
»Und dann?«, wollte Ben wissen.
»Als die Totenmänner nachts kamen, war ich schon weit hin. Ich war für sie kein Mensch mehr, glaub ich. Da haben sie mich in Ruhe gelassen. Einer hat mich sogar befreit. Dann hab ich gewartet bis Mehmet zurückkam und ihn…«
»Getötet?«
»Ja, und…«
»Und was?«
»Ben, ich… der Drang war so groß. Ich war nicht so stark wie Rita.«
»Du hast ihn gebissen?«
»Ja.«
»Wie war das?«
»Es war… Verdammt, es war geil. Tut mir leid, aber so ist es. Es war toll. Auch wenn’s mir peinlich ist.«
Rita und Ben tauschten einen viel sagenden Blick, deuteten mir dann weiter zu erzählen.
»Naja, dann habe ich Enrico gerettet und ihn mit zu uns genommen. Er wohnt jetzt bei Marty. Und ich versuche nun, zum Krankenhaus zu kommen, weißt ja, zu dem Arzt von der Evakuierung. Vielleicht können die mit meiner Hilfe ein Gegenmittel herstellen. Ich will gesund sein, wenn Katie und mein Sohn wieder da sind. Und was habt ihr vor, wenn dies alles vorbei ist?«
»Wir wollen auswandern.«
»Auswandern? Wohin?«
»Wissen wir noch nicht genau. Irgendwohin, wo es weite, unbewohnte Landstriche gibt. In den USA gibt es so etwas, in Russland, Südamerika. Wir wollen dorthin, wo wir nicht in Gefahr laufen, viele Menschen zu treffen.«
»Und dann?«
»Dann können wir sein, was wir sind. Wir werden zwei Raubtiere sein. Wir werden jagen und im Einklang mit der Natur leben.«
»Ja«, fügte Rita hinzu, »jetzt wo wir wissen, dass wir nicht unbedingt Menschenfleisch brauchen, können wir von dem leben, was wir finden. Und uns unseren Urtrieben hingeben.«
Ich verkniff mir allzu anzügliche Kommentare über Urtriebe und warf stattdessen eine Frage in den Raum, die sie sicher schon diskutiert hatten.
»Und wenn ihr doch Menschen trefft?«
Ben nickte. Er hatte die Frage offenbar erwartet.
»Dann müssen sie sterben. Es geht nicht anders. Wir wollen die Seuche nicht verbreiten.«
Ich wollte gerade einwerfen, wie bescheuert ich die Idee fand - aber tat ich das wirklich? Doch dann wurde ich jäh durch ein unerwartetes Geräusch unterbrochen: Es klingelte an der Tür. Überrascht schauten wir durch die Bretter an den Fenstern nach draußen. Vor der Tür stand eine einzelne Person. Weiblich, mit Kopftuch, jung. Sie schien allein zu sein. Wir überlegten flüsternd, ob wir uns tot stellen sollten. Doch dann überwog die Neugier und wir machten ihr auf. Die junge Frau schaute schüchtern von einem Gesicht zum anderen.
»Hallo, ich… ich weiß nicht, wie ich anfangen soll.«
Rita lächelte freundlich.
»Na, wenn es länger dauert, kommst du am besten rein, nicht? Ist weniger gefährlich als draußen, wo dich jeder Penner von weitem sehen kann.«
Das Mädchen nickte und trat ein. Sie war höchstens 20, wenn nicht jünger. Als wir im Wohnzimmer saßen, sah sie sich irritiert um.
»Also, was ist los?«, fragte Rita.
»Ich suche meinen Bruder. Er ist verschwunden.«
»Seit wann ist er verschwunden?«
»Er wollte gestern zum Geburtstag unserer Mutter kommen. Das ist in unserer Familie sehr wichtig, ihr versteht? Aber er kam nicht.«
Ihr versteht… die Redewendung hatte ich vor gar nicht langer Zeit schon einmal gehört. Und nicht nur einmal. Ich beschloss, ihr etwas auf den Zahn zu fühlen.
»Warum suchst du ihn ausgerechnet in diesem Haus?«
»Es ist nicht so weit entfernt. Und er wollte auf dem Weg zu Mamas Geburtstag hier etwas abholen, hatte er vorher gesagt. Etwas… Wichtiges. Aber er ist nicht gekommen. Und da wollte ich nachschauen, ob er hier ist. Oder hier war. Oder fragen, ob ihr wisst, was mit ihm ist. Es ist schon einige Zeit her, dass ich von ihm gehört habe.«
Das würde passen. Etwas Wichtiges wie Kokain abholen. Ich beschloss einen Frontalangriff.
»Heißt dein Bruder Mehmet?«
»Ja!« Hoffnung in ihren Augen.
»Dann bist du Fatima?«
»Ja!« Noch mehr Hoffnung.
»Tut mir leid, Dein Bruder ist nicht hier.«
Hoffnung wackelt.
»Wisst ihr, was mit ihm ist?«
»Er ist tot.«
Hoffnung zerstört.
»Woher weißt du?«
»Er
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