Stählerne Schatten
wurde das erste L-Band-Zielsuchradar einer Hawk entdeckt; einige Kilometer weiter erfaßte sie der X-Band-Zielilluminator der Hawk. Daraufhin ging der Pilot auf fünfzehn Meter übers Wasser hinunter und benützte seine FLIR-Kamera ANAAs-36
und den Radarhöhenmesser, um diese gefährlich niedrige Hohe zu halten.
Der Start der ersten Hawk bei vierzig Kilometern glich einem wirklich gewordenen Alptraum. Vom Cockpit aus war tatsächlich zu sehen, wie die Fla-Rakete startete: Ihr leuchtend gelber Feuerschweif beschrieb einen weiten Bogen über den Horizont. Der Pilot stieß eine Düppelwolke aus und kurvte steil nach rechts weg – aber die Hawk folgte ihnen unbeirrbar. Dann startete eine zweite Hawk, der sofort eine dritte folgte. Die iranische Luftabwehr wußte, daß es der anfliegenden Maschine vielleicht gelingen würde, der ersten Hawk auszuweichen; dabei verlor sie jedoch soviel Fahrt, daß die zweite oder dritte Fla-Rakete treffen mußte.
Der Pilot der OV-10D stellte den Höhenwarner seines Radarhöhenmessers auf nur zehn Meter ein. Hinten im Frachtabteil hörten Briggs, Behrouzi und die drei VAE-Commandos immer wieder das Warnsignal, während der Pilot versuchte, den Fla-Raketen im Tiefstflug auszuweichen. Als er jetzt nochmals steil wegkurvte, unterschritt er die eingestellten zehn Meter, und das warnende Hupen wurde zu einem Dauerton. Die fünf fürchteten, dies könnte das letzte Geräusch sein, das sie hörten, bevor sie ins Meer stürzten.
»Alle Düppel verbraucht«, meldete der Waffenoffizier. Nun hatten sie keinerlei Abwehrmittel mehr.
Bei jedem ruckartigen Ausweichmanöver hingen die Insassen des Frachtraums in ihrem Gurtzeug, aber Riza Behrouzi lächelte trotzdem zufrieden. »Sie machen ihre Sache gut«, sagte sie mit einer Handbewegung nach vorn zu Briggs. Der Lärmpegel im Frachtraum der Bronco war sehr hoch, weil sie vor dem Start die kleine Hecktür ausgehängt hatten, um später über dem iranischen Stützpunkt leichter abspringen zu können, »Ich glaube, sie sind besser als ich.«
Auch Hal Briggs lächelte, aber sein Lächeln war nur eine Fassade, denn innerlich setzten ihm Sorgen, Zweifel und ehrlich eingestandene Angst zu. Hatte er die richtige Entscheidung getroffen? Er hatte nicht beabsichtigt, durch sein Unternehmen sechs weitere Soldaten in Lebensgefahr zu bringen –
vor allem nicht Riza. In seiner Phantasie hatte er sich ausgemalt, wie er nach einem Fallschirmabsprung aus großer Höhe mit seiner treuen Uzi als einziger Begleiterin auf dem Dach des Gefängnisgebäudes landen, sich den Weg ins Innere freischießen, die Geiseln retten, ein Transportflugzeug entführen, auf dem Rückflug feindlichen Jägern ausweichen, alle lebend zurückbringen, der große Held sein und glücklich in Rizas wartende Arme sinken würde.
Und dies war nun die Realität: Er führte sechs Unbekannte ins Feuer des wachsamen und gutbewaffneten iranischen Militärs. Sie hatten noch fünf Minuten bis zur Küste zu fliegen und waren bereits in schweres Abwehrfeuer geraten. Noch schlimmer war, daß er keine Ahnung hatte, wo die Männer gefangengehalten wurden – falls sie überhaupt in Chah Bahar waren! – und wie er sie dort rausholen sollte. Blödsinnig. Dämlich. Idiotisch. Überlebte er das Unternehmen, würde Wohl ihn gewaltig in den Hintern treten. Oder ihn gleich erschießen, wenn dieser unüberlegte Einsatz einen oder mehrere seiner Männer das Leben gekostet hatte.
»Wie steht’s, Leutnant?« rief Behrouzi nach vorn. »Sie haben schon drei Hawks ausmanövriert?«
»Ja, Major«, antwortete der Waffenoffizier.
»Sehr gut«, sagte Behrouzi zufrieden. »In wenigen Sekunden dürfte die zweite Salve folgen, die Sie mit den Sidearms abschießen müssen. Bleibt sie aus, müssen Sie auf ein Rapier- oder ZSU-23-Radar vorbereitet sein. Ich habe keine Lust, unser Ziel heute nacht schwimmend erreichen zu müssen.«
»Ich tue mein Bestes, Major. Ah, verdammt… Da! Feuer!«
brüllte der Waffenoffizier. Im Frachtraum war das Piepsen des Radarwarners zu hören, und die Bronco kurvte nochmals steil weg, um der Fla-Lenkwaffe auszuweichen. Aber im nächsten Augenblick kam von rechts ein lautes Fwuuusch!, als die erste Jagdrakete Sidearm zur Radaransteuerung ihren Aufhängepunkt unter der Tragfläche verließ. Sekunden später verstummte das Piepsen abrupt.
»Sehr gut, Hauptmann!« rief Behrouzi dem Piloten zu. »Nur weiter so! Melden Sie mir, wenn der Gefängniskomplex in Sicht kommt.« Statt zu antworten,
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