Stählerne Schatten
Augenblick stehen, würde es weit länger als ein halbes Jahr dauern, um so viele Truppen zusammenzuziehen, wie wir für ›Wüstenschild‹ mobilisiert haben – und für die amerikanischen Einheiten wäre das weit gefährlicher. Selbst wenn die Iraner den gleichen Fehler wie die Iraker machen und unsere Truppen in Saudi-Arabien aufmarschieren lassen würden, brauchten wir fast ein Jahr, um wieder siebenhundertfünfzigtausend Mann bereitzustellen,«
»Ein Jahr!« rief Vizepräsidentin Whiting aus. »Sie übertreiben!«
»Ich wollte, das wäre pessimistisch gedacht, Ellen«, antwortete Chastain, »aber leider ist das eine realistische Annahme.
Seit dem Ende des Kalten Kriegs haben wir von weltweit stationierten Gegenangriffskräften auf defensive Expeditionskräfte umgestellt – nur ist das Geld leider nicht für langweilige Lowtech-Geräte wie zusätzliche Transportflugzeuge, Containerschiffe und Güterwaggons ausgegeben worden. Außerdem haben wir unsere Streitkräfte verringert und aus dem Ausland in die USA zurückverlegt. Wir haben weniger Soldaten, die weiter vom Nahen Osten entfernt sind, und weniger Transportmittel, um sie hinzubringen. Mit anderen Worten, Mr. President: Wir müssen mit ungefähr einem Jahr rechnen und auf ein Wunder hoffen.«
Im Oval Office herrschte betroffenes Schweigen. Alle erinnerten sich an den Aufmarsch vor dem Golfkrieg des Jahres 1991; obwohl die ersten amerikanischen Gruppen schon am Tag nach dem irakischen Einmarsch in Kuweit nach SaudiArabien verlegt worden waren, hatte es scheinbar endlos lange gedauert, eine Offensivstreitmacht auf die Beine zu stellen.
Auch als »Wüstenschild« zum »Wüstensturm« geworden war, hatte niemand gewußt, ob die zusammengezogenen Kräfte ausreichen würden. Es war reines Glück gewesen – das wußten alle, obwohl nur wenige diese Tatsache zugaben –, daß Saddam Hussein während der langen Mobilmachungsphase des Golfkriegsbündnisses weder Saudi-Arabien noch Israel oder die Türkei angegriffen hatte. Und das Bündnis hatte mächtige, ölreiche Freunde mit umfangreicher Militärstruktur gehabt.
»Was haben wir im Augenblick dort drüben, Arthur?« fragte Martindale.
»Unsere Militärpräsenz in der Golfregion hat eher symbolischen Wert«, antwortete Chastain. Er warf einen Blick auf seine Notizen und ließ sichtbar die Schultern hängen, als er daraus vorlas: »Eine Trägerkampfgruppe in Einsatzreichweite des Irans; eine Staffel Jagdbomber F-16 und eine Staffel Jäger F-15
in Saudi-Arabien mit nur vierzig Flugzeugen und tausend Mann; drei Batterien mit Fla-Lenkwaffen Patriot in Kuweit, Saudi-Arabien und der Türkei sowie je eine Lehrbatterie in Bahrein und Israel; ein Bombergeschwader auf Diego Garcia.
Insgesamt rund fünfzehntausend Mann – eine bewaffnete Vorhut, kaum mehr.
Die Masse unserer Truppen steht in den Vereinigten Staaten, denn in Europa und Asien haben wir nur noch ein Viertel der Truppen stationiert, die 1990 dort gestanden haben«, berichtete Chastain weiter. »Unsere fliegenden Verbände könnten rasch nach Saudi-Arabien, Israel oder in die Türkei verlegt werden – wenn die Iraker die großen Stützpunkte in Saudi-Arabien nicht vorher zerstören und die Türkei nicht wieder wie 1991 versucht, unseren dortigen Aufmarsch zu behindern.
Aber unsere Infanterie- und Panzerverbände mü ßten fast alle aus Nordamerika kommen und würden vier bis sechs Monate brauchen, um im Nahen Osten einsatzbereit zu sein. Auch unsere See- und Luftbrücken brauchten schätzungsweise ein halbes Jahr, um die volle Transportleistung zu erreichen. Und in den Iran führt keine bequeme Landbrücke – wir könnten nicht wieder in einem verbündeten Land aufmarschieren und wie damals gegen den Irak schnell durch flaches Wüstengelände vorstoßen… «
»Gestatten Sie einen Einwurf, Mr. President«, sagte Jeffrey Hartman. »Auch wenn das unerfreulich klingt, scheint ein gewisser Ausgleich gegeben zu sein: Wir haben ihre Insel zusammengeschossen, sie haben unser Spionageschiff zusammengeschossen. Ich glaube nicht, daß wir am Rande eines Krieges stehen. Gewiß, der Iran läßt seine Muskeln spielen, aber die ganze Welt weiß schließlich, daß die Trägerkampfgruppe Khomeini ein Papiertiger ist.
Mr. President, General Freeman, ich weiß, daß der Verlust jedes Mannes schmerzt, aber ich glaube nicht, daß dies das Vorspiel zu einem Krieg ist, und wir sollten es nicht dazu machen.
Schließlich sind wir die Aggressoren gewesen, indem wir das
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