Stahlfront 5: Yes, we can
auffällig und unorthodox.
Mehrmals beschwerten sich Bürger, darunter auch Hofer, bei Polizei und Ordnungsamt über die unerträglichen Zustände, mußten sich aber gefallen lassen, als »Ausländerfeinde« beschimpft zu werden - und das, obwohl fast alle Mitglieder des Kirchenvereins einen deutschen Paß hatten.
Hofer allerdings traf es besonders schlimm, denn der Verein zahlte nicht für Strom und Wasser. Die Stadtwerke waren auch nicht bereit, die auf dem Nebenzähler aufgelaufenen Beträge von Hofers Rechnung abzuziehen.
Als Anschlußinhaber stand er den Stadtwerken gegenüber für alle Lieferungen gerade. Darum, daß ihm der Nachbar die von ihm verbrauchten Mengen auch tatsächlich zahlte, mußte er sich selbst kümmern.
Erdogan weigerte sich, für Wasser- und Stromkosten seiner Mieter aufzukommen, und war damit auch juristisch auf der sicheren Seite. Er überließ Hofer sogar eine Kopie des Mietvertrages (die Miete wurde übrigens stets pünktlich überwiesen, so daß der Verein nicht geräumt werden konnte), unterschrieben von einem gewissen J. Tooth.
Hofer beantragte einen Pfändungsbeschluß gegen den Verein, doch der war eben nicht der Mieter, sondern der gewisse J. Tooth. Als der Gerichtsvollzieher an der angegebenen Adresse die Pfändung vollziehen wollte, war das nicht möglich, da er nicht klären konnte, wer dieser J. Tooth überhaupt war.
In dem Haus wimmelte es von Zigeunern mit ähnlich klingenden Namen wie Todt oder Toot, und einen mit Vornamen J. gab es gar nicht.
Als die Außenstände mit 14 000 Euro existenzbedrohende Ausmaße erreicht hatten, griff Hofer zur Selbsthilfe und stellte der »Kirche« Strom und Wasser eigenmächtig ab.
Schon am nächsten Wochenende erschien die Polizei und zwang ihn unter Hinweis auf die Gesetzeslage dazu, die Durchleitung wieder zu ermöglichen. Außerdem wurde ein Ordnungsverfahren gegen Hofer eröffnet, der wegen illegaler Unterbrechung der Grundversorgung mit Wasser und Strom zu einer Ordnungsstrafe von 600 Euro verurteilt wurde.
Als er das Geld nicht aufbringen konnte (und auch nicht aufbringen wollte), mußte er eine Ersatzhaft von drei Tagen im Gefängnis antreten.
Danach meldete er sowohl die Insolvenz für das Hotel als auch seine Privatinsolvenz an.
Erdogan hatte darauf spekuliert, das Hotel zu einem Spottpreis zu übernehmen, war aber ausgerechnet an dem Tag, an dem Wiesenstätter den Zuschlag erhalten hatte, in einen banalen Autounfall verwickelt worden und hatte den Versteigerungstermin verpaßt.
Hofer war wie erschlagen. Sein Lebenstraum hatte sich in nichts und einen Haufen Schulden aufgelöst. Und so hatte er Wiesenstätter erst sehr ablehnend gegenübergestanden, als der ihn abends aufgesucht hatte, um die Details der Übergabe zu klären - und er hatte innerlich sehr viel Spaß an dem Gedanken, daß nun Wiesenstätter Strom und Wasser für die Zigeuner mitbezahlen durfte.
Doch der neue Besitzer war ganz anders gewesen, als Hofer ihn sich vorgestellt hatte. Seine erste Reaktion auf die Geschichte des Hotels, die Hofer ihm schließlich erzählt hatte, hatte darin bestanden, ihm eine Stelle als Fahrer in seinem Busunternehmen anzubieten. Und da er als jemand, der in Privatinsolvenz war, sieben Jahre lang alles Einkommen über der Pfändungsfreigrenze abtreten mußte, hatte Wiesenstätter ihm ein Festgehalt versprochen, das nur etwa hundert Euro über dieser Grenze lag (etwas mußte er schließlich zahlen, damit es nicht auffiel) sowie die Zahlung der nicht unbeträchtlichen Spesen bar auf die Hand.
Der Busunternehmer hatte sein Wort gehalten, und so konnte Walter Hofer wieder in einem bescheidenen Wohlstand leben und sogar etwas Geld für die Zukunft zurücklegen, ohne daß Stadtwerke, Bank oder gar Finanzamt sich bei ihm hätten bedienen können.
»Dieser Hofer ist also halbwegs aus dem Schneider«, sagte Magnus zu dem Mann am Steuer neben ihm. »Aber was ist mit Ihnen? Liegen Ihre netten neuen Nachbarn jetzt Ihnen auf der Tasche ?«
Wiesenstätter grinste so unergründlich-verschmitzt, wie das wohl nur geborene Münchener hinbekommen. »Ja, das hätte man befürchten können, nicht wahr? Vor allem, als mich Bülent Erdogan am nächsten Tag in meinem Büro aufsuchte...«
»Paß auf, Kartoffel, isch hatte Unfall, klar? Der Hotel gehört misch. Verkaufst du an misch, geb isch dir 500 Euro obendrauf. Hast du gutt Geschäft gemacht, Alter !« Der kleine Mann mit dem schlecht rasierten dunklen Bart, dem olivfarbenen Teint und den kurzen
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