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Stahlhart

Titel: Stahlhart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volkmar Joswig , Henning von Melle
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Diese Obdachlosen waren zum Teil Stützen der Gesellschaft: Rechtsanwälte, Geschäftsleute. Nach einer Scheidung dann der tiefe Fall bis auf die Straße. Manche dieser Menschen waren vorher sicher auch nett und charmant. Außer der finanziellen kommt die emotionale Seite erschwerend hinzu. Wenn man noch Gefühle für seine Frau hat und die setzt einem Hörner auf, geht das an keinem spurlos vorbei. Da kann man schon zu einem anderen Menschen werden.«
    »Ist ja gut, Jens. All das bedenken wir ja, und es spielt in den Vernehmungen eine gewichtige Rolle. Das sind die Situationen, in denen Rainer einknickt und sich in Widersprüche verstrickt.«
    Jens Goldstein grinste. »Siehste, Roland, jetzt habe ich doch was Brauchbares gehört.«
    Am nächsten Tag erschien die Schlagzeile, die Jens, trotz dessen Verbot, hinter dem Rücken des Chefredakteurs in den Druck geschleust hatte: ›Bankenungeheuer aus Rache an der Gesellschaft?‹
     
    Nachmittags kam Britta in Begleitung des Anwaltes, um nach Rainer West zu sehen. Der Begrüßungskuss fiel relativ kurz aus, weil der Beamte, der zugegen war, nicht mehr zuließ. Dr. Senkstake setzte sich mit an den quadratischen Tisch, der mit drei Stühlen in der Mitte des Raumes stand. In einer Ecke, nahe der Tür, saß der Polizeibeamte, der wie unbeteiligt vor sich hin starrte. Dr. Senkstake hielt sich komplett zurück.
    »Wie geht es dir?«, lautete selbstverständlich Brittas erste Frage.
    »Im Moment ist es sehr anstrengend«, seufzte Rainer. »Alle paar Stunden werde ich zum Verhör gebracht. Es sind immer die gleichen Fragen und immer meine gleichen Antworten. Ich muss mir abstruse Theorien anhören und Vorwürfe machen lassen. Aber ansonsten stehe ich das durch. Die Frage ist nur: Wie lange noch?«
    »Mein armer Schatz«, Britta strich sanft über Rainers Wange. »Aber ich glaube, deine Leidenszeit ist bald vorbei. Ich habe daheim alles auf den Kopf gestellt, jede Jacke, jede Hose gefilzt, jeden Winkel kontrolliert und Möbel gerückt. Dabei fand ich das hier.« Sie reichte Rainer einen silbernen Kugelschreiber, der dem aus Griechenland aufs Haar glich.
    »Ist das deiner?«, fragte sie.
    »Das musst du doch wissen«, antwortete Rainer, drehte und wendete den Stift dabei hin und her. »Du hast ihn mir schließlich gekauft.«
    »Ja, schon, aber nach einiger Zeit trägt ein Gegenstand Gebrauchsspuren. Vielleicht erkennst du deine.«
    Der anwesende Polizeibeamte beäugte jetzt die Szene scharf. Deshalb hielt Rainer West den Schreiber mit zwei spitzen Fingern.
    »Ja, ich erkenne ihn wieder. Das muss meiner sein.« Mit unglaublich erleichterter Stimme, die fast einem Jubel gleichkam, bestätigte Rainer den Besitz.
    »Was sagen Sie dazu, Dr. Senkstake?«
    »Es sieht so aus, als hielten Sie die Fahrkarte nach draußen in der Hand«, konstatierte der Anwalt. »Darf ich?«
    »Natürlich«, bestätigte Rainer und überreichte den Kugelschreiber dem Anwalt. Dr. Senkstake ließ die beiden allein und machte sich sofort auf den Weg zum Oberstaatsanwalt. Natürlich kannte man sich durch viele gemeinsame Prozesse und Verhandlungen. Zwar versuchte die Staatsanwaltschaft, das Gespräch abzublocken und auf einen fehlenden Termin zu verweisen, aber es nützte nichts. Unter Androhung, sofort den Haftrichter aufsuchen zu wollen, gelang es Dr. Senkstake, vorgelassen zu werden.
    »Die Lebensgefährtin meines Mandanten hat mir dies hier überreicht. Es ist sein fehlender Kugelschreiber aus dem Bankenungeheuer-Fall. Damit bricht Ihre Anklage wie ein Kartenhaus in sich zusammen.« Dr. Senkstake gab einen kurzen Abriss der Aussage Brittas. Dr. Grabowski, der Oberstaatsanwalt, begutachtete den Schreiber misstrauisch.
    »Ist doch komisch, dass das Ding gerade jetzt auftaucht, wo es eng wird. Finden Sie nicht? Jeder halbwegs vernünftige Mensch hätte schon wesentlich früher nach dem Corpus Delicti gefahndet.«
    »Ihre Befindlichkeiten sind mir egal!«, konterte Dr.Senkstake. »Tatsache ist, dass Ihre Anschuldigungen in keinem Fall mehr haltbar sind. Ich verlange die sofortige Freilassung meines Mandanten.«
    »So schnell geht das nicht«, versuchte Dr. Grabowski, Zeit zu gewinnen. »Wir haben noch andere Verdachtsmomente.«
    »Die alle mehr als dürftig sind! Wollen Sie ernsthaft mit fehlenden Alibis vor dem Haftrichter argumentieren? 90Prozent aller Deutschen würden nicht wissen, wo sie letzte Woche um 10 Uhr waren. Die finanzielle Lage meines Mandanten ist ebenso nicht ungewöhnlich nach seinem Schicksal.

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