Stahlhart
erkennen, dass er von Albträumen geplagt wurde. Eine Zeit lang hoffte sie, dass Rainer zur Ruhe finden würde, musste dann einsehen, dass ihre Hoffnung trog. Schließlich hielt sie es nicht mehr aus und weckte ihn.
»Schatz, was ist, träumst du schlecht?«
Rainer hielt sich erschöpft den Kopf. »Ja, ich glaube schon. Ich sah die Toten der Banküberfälle, sie griffen nach mir.«
»Ich glaube nicht, dass du hier den nötigen Abstand zu allem hast, lass dir ein paar Tage Urlaub geben, und wir fahren weg, damit du aus diesem Umfeld raus kannst.«
»Vielleicht hast du recht. Und wohin denkst du, sollen wir fahren?«
»Vielleicht auf eine Insel. Viele prominente Menschen erholen sich dort. Es muss wohl was dran sein. Wie wäre es mit Sylt?«, schlug Britta vor.
»Sylt? Ne, das ist mir zu viel Schickimicki und zu viele Menschen. Sylt interessiert mich nicht, aber wie wäre es mit einer anderen der Nordfriesischen Inseln? Dort haben wir die Vorteile von Sylt, aber noch nicht den ausufernden Tourismus. Im Fernsehen war da mal ein Bericht. Nette, noch nicht abgebrühte, ursprüngliche Menschen, wundervolle Landschaft mit Wiesen und Wald, natürlich Strand und mit Wyk eine niedliche Stadt. Wir können dort spazieren gehen und uns wirklich erholen. Nur müssen wir abklären, ob ich das darf.«
»Auflagen hast du doch keine bekommen.«
»Nein, das nicht, aber es soll auch nicht wie Flucht aussehen.«
»Aber halten wir fest, wir fahren auf die Insel Föhr«, resümierte Britta.
14
Dr. Koschnick ließ es sich nicht nehmen, den Artikel zu Rainer Wests Freilassung selbst zu schreiben. Es sollte eine vollkommene Rehabilitierung seines Mitarbeiters werden. Der ›Weser Bote‹ sprach am nächsten Tag von bedauerlichen Umständen und Zufällen, die einen Unschuldigen in Verdacht geraten ließen. Dieser Unschuldige habe sich Jahr und Tag für das Gesetz und die Justiz eingesetzt und sei unglücklich in deren Mühlen geraten. Danach brach Dr. Koschnick eine Lanze für die unschuldigen Menschen, deren Leben durch falsche Anschuldigungen aus der Bahn geworfen worden war. Gerade diese Menschen hätten es verdient, dass die Gesellschaft nie wieder mit dem Finger auf sie zeige, nur weil sie vergesslich sei. Dr. Koschnick informierte die Leserschaft darüber, dass der ›Weser Bote‹ stolz darauf sei, dem unglücklichen und falsch Beschuldigten eine Heimat zu bieten.
Am nächsten Tag besprach Britta die Reise mit Dr. Senkstake.
»Ich kümmere mich darum und informiere Frau Hansen. Wenn die keine Einwände hat und Sie mir Ihre Adresse mitteilen, sollte das in Ordnung gehen«, entgegnete der Anwalt.
Während Rainer sich mit seinem Chef in Verbindung setzte und um Urlaub bat, machte Britta Besorgungen für die Reise und buchte über ein Reisebüro im Kur-Hotel Wyk. Der Chefredakteur Kurt Koschnick hatte natürlich keine Einwände gegen den Urlaub, im Gegenteil, er befürwortete ihn sogar.
»Lass es dir ein paar Tage gut gehen und spann aus. Es wäre schön, wenn sich die Lage hier etwas beruhigt. Außerdem habe ich mit Jens zu bereden, wie er uns da wieder rausholt.«
Einen Tag später begaben sich Britta Kern und Rainer West mit dem Wagen auf den Weg zur Urlaubsinsel Föhr. Sie fuhren recht frühzeitig. Einerseits hatten sie die beschwerliche Strecke der A 1 zu bewältigen, die dreispurig ausgebaut wurde und aus diesem Grund ständig mit Stau belegt war. Ein weiterer Grund für die frühe Abfahrt war die Fähre nach Föhr, für deren Erreichen sie genügend Zeit haben wollten. Nach 80 Kilometern machten sie Rast, um einen Cappuccino zu trinken. Der LKW-Verkehr war sehr stark. Immer wieder befanden sie sich zwischen zwei Lastwagen und kamen nur langsam voran. Mit der Begründung: »Man weiß ja nie, ob der hintere Fahrer nicht gerade pennt oder Zeitung liest und uns dann auf den Vordermann schiebt«, hatte Britta eine Pause vorgeschlagen. Der Verkehr war natürlich auch Gesprächsthema, als sie im Rasthof saßen.
»Immerhin ist die A 1 neben der A 7 die Hauptzufahrtsstrecke der holländischen Laster zum Hamburger Hafen«, erklärte Rainer.
»Es mutet schon ungewöhnlich an, wenn die Fracht ankommender Schiffe in Rotterdam auf LKW umgeladen wird. Während die leeren Schiffe von Rotterdam nach Hamburg weiterfahren, quälen sich die LKW über die Autobahn. Im Hamburger Hafen wird dann das gleiche Schiff mit der ursprünglichen Ladung wieder bepackt und die LKW fahren zurück. Angeblich sparen die Reedereien
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