Stahlhart
ungenutzt.«
Koschnick musterte den Journalisten eingehend.
»Ich verstehe Sie und kann Ihren Argumenten folgen«, entgegnete er dann, »aber denken Sie daran, dass einem Ihrer engsten Kollegen das Messer an die Gurgel gehalten wird. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass Rainer der Täter ist, beim besten Willen nicht.«
»Ich weiß, dass Sie Rainer besonders nahe stehen und er Ihr Zögling ist…«
»Passen Sie auf, was Sie sagen«, fiel ihm Dr. Koschnick ins Wort.
»Gut«, lenkte Jens ein, »aber was ist, wenn Rainer doch etwas damit zu tun hat? Welches Licht fällt dann auf Sie? Wollen Sie sich vorwerfen lassen, einen Täter gedeckt zu haben, selbst wenn es Ihrer Gutgläubigkeit entspringt? Wie war es seinerzeit bei diesem Wettermenschen Kachelmann von der ARD? Zu Anfang hielt sich die ARD bei der Berichterstattung bedeckt, als andere Fernsehsender schon groß berichteten, und musste dann doch einsteigen. Die konnten sich auch nicht raushalten, weil ihr eigener Mann in Verdacht geraten war. Wir können ja zunächst noch objektiv berichten, ohne Stimmung gegen Rainer zu machen. Wir können so auch den Auswüchsen in der Berichterstattung anderer Medien entgegentreten, wenn wir unsere Kompetenz und unser Insiderwissen frühzeitig aufdecken.«
Koschnick rang sichtlich mit sich. »Ich mache das ungern«, stimmte er schließlich zu. »Aber ich muss auch zugeben, dass Ihre Argumente mir einleuchten. Also gut, machen Sie es, ich stehe hinter Ihnen. Aber– und das meine ich mit aller Konsequenz: Rainer ist so lange unschuldig, wie seine Schuld nicht zweifelsfrei nachgewiesen ist. Deshalb habe ich momentan auch von einer Suspendierung abgesehen. Solange er als unschuldig gilt, gibt es keine Maßnahmen gegen ihn. Vergessen Sie das nicht! Ansonsten lasse ich Ihnen freie Hand.«
»In Ordnung, Chef«, bedankte sich Jens, drehte sich um und verließ das Büro.
Am nächsten Tag lautete die Headline der Titelstory des ›Weser Boten‹: ›Gerichtsreporter als das Banken-Ungeheuer verhaftet‹. Jens Goldstein hatte die ›freie Hand‹ genutzt und seinen Artikel am Chefredakteur vorbei in Druck gegeben. Dr. Senkstake saß wieder Rainer West gegenüber.
»Ganz so einfach, wie ich es gehofft hatte, ist die Sachlage nicht«, gab er zu. »Was den Fall erschwert, ist die Tatsache, dass dieser Kugelschreiber Ihre Fingerabdrücke aufweist. Außerdem ist er eine Rarität, zumindest hier in Deutschland. Er wird nur in Griechenland vertrieben, und selbst das nur selten, weil er besonders teuer ist. Die Polizei weiß, dass Sie genau solch einen Kugelschreiber besessen haben. Dafür gibt es Zeugen. Ihnen ist ebenfalls bekannt, dass Sie in Griechenland waren. Der Kugelschreiber kann auch niemand anders zugeordnet werden. Keiner in der überfallenen Bank hatte ihn vor dem Überfall gesehen, und wie gesagt, Ihre Fingerabdrücke sind drauf. Waren Sie je in dieser Filiale in Wildeshausen?«
»Nein, nie!«, versicherte Rainer mit Nachdruck.
»Denken Sie scharf nach. Vielleicht haben Sie es vergessen, weil Sie nur eine Überweisung in den Postkasten geworfen haben.«
»Nein, ich bin ganz sicher. Ich habe meine Konten bei der Bremer Bank, die jetzt die Commerzbank ist. Britta arbeitet dort, und sie nahm meine Formulare mit.«
»Wir haben folgendes Problem, Herr West: Wir können nur einen Haftprüfungsantrag stellen. Wenn der verworfen wird – und nach Lage der Dinge haben wir keine guten Aussichten, jedenfalls momentan –, können wir keinen weiteren mehr stellen. Also müssen wir mit dieser Option sorgsam umgehen. Was uns zusätzlich behindert, ist die Tatsache, dass Sie für keinen Zeitraum ein Alibi vorweisen können. Wie sieht es aus, stehen Sie hier noch einige Zeit durch, bis ich neue Erkenntnisse habe?«
»Ich denke schon«, antwortete Rainer.
»Dann lassen Sie uns den Haftprüfungsantrag noch etwas verschieben«, schlug Senkstake vor.
»Eine Frage habe ich noch«, hielt Rainer ihn zurück, als der Anwalt sich schon verabschieden wollte. »Was ist mit Britta? Kann sie mich besuchen, will sie es überhaupt?«
»Was für eine Frage. Natürlich drängt sie darauf, Sie zu sehen. Sie setzt alle Hebel in Bewegung. Was meinen Sie, wie sie mich schon gelöchert hat, um Besuchsrecht für Sie zu erhalten? Ich denke, der Beschluss ergeht bald.«
Jens Goldstein arbeitete intensiv mit den Ermittlungsbehörden zusammen. Er lungerte fast 24 Stunden vor und in den Gebäuden Am Wall herum, saß oft im Büro von Roland Ernst,
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