Stahlhart
Egal, was Sie auch anführen wollen, ich nehme es auseinander. Sie können und dürfen Rainer West keine Minute länger in Haft halten.«
»Was ist mit den Fingerabdrücken auf dem ersten Stift, der am Tatort gefunden wurde?«
»Kommen Sie, das ist doch kein Argument. Solch ein Artikel kann meinem Mandanten von jedermann für einen kurzen Gebrauch untergeschoben worden sein. Wie oft nutzen Sie täglich einen fremden Schreiber, wenn Sie in einem anderen Büro sind? Jedes Mal hinterlassen Sie Fingerabdrücke und wissen dann nicht, wozu die Stifte später mal genutzt werden. Das wollen Sie also doch nicht ernsthaft ins Feld führen.«
»Und wenn dieser Kugelschreiber gekauft wurde, um Ihren Mandanten zu entlasten?«
»Sie stellten doch selbst fest, dass der Kugelschreiber deshalb so außergewöhnlich ist, weil er in Deutschland nicht vertrieben wird. Woher soll er folglich kommen? Und untersuchen Sie ihn. Auch auf diesem Schreiber sollten die Fingerabdrücke meines Mandanten zu finden sein. Wenn das zutrifft, ist Ihre Luftnummer geplatzt.«
»Das werden wir mit Sicherheit machen. Ich gehe davon aus, dass Sie mir den Kuli gegen Quittung überlassen.«
»Sicher, mit der Bestätigung geht der Stift in Ihre Asservatenkammer über. Und jetzt telefonieren Sie, um meinen Mandanten zu entlassen.«
Dr. Grabowski zögerte einen Augenblick, aber er wusste, dass Dr. Senkstake recht hatte. Zähneknirschend nahm er das Telefon und rief zuerst den Haftrichter, danach Hauptkommissarin Hansen an. Er gab kurze Hinweise mit der Ankündigung, gleich nach unten zu kommen.
»Sie haben mitbekommen, dass alles geregelt ist«, sagte er, als er aufgelegt hatte.
»Das wäre es dann wohl. Bitte sehen Sie es mir nach, dass ich noch zu tun habe.«
Mit einem Lächeln quittierte Dr. Senkstake die kurze Verabschiedung. »Danke für Ihre Einsicht. Bis zum nächsten Mal.« Der Anwalt verließ das Büro des Oberstaatsanwaltes, um sich um seinen Mandanten zu kümmern.
Nachdem Rainer West seine Besitztümer, die ihm abgenommen worden waren, zurückerhalten hatte, verließen er, Britta und Dr. Senkstake das Gebäude des Polizeipräsidiums. Als die drei auf dem Weg in die Kanzlei über den Marktplatz gingen, warf gerade ein Tourist ein Geldstück in das sogenannte Bremer Loch. Nach Zufallsprinzip ertönte nach Einwurf eines Geldstückes daraus das Tiergeräusch eines der Bremer Stadtmusikanten. In unserem Fall hörten die drei das lang gezogene ›Iah, iah, iah‹ des Esels, das sich wie ein höhnisches Lachen anhörte.
»Willkommen zu Hause«, Britta nahm Rainer sanft in den Arm und küsste ihn zärtlich auf den Mund.
»Danke, mein Liebling, danke dafür, dass du zu mir gestanden hast und danke dafür, dass du mich da rausgeholt hast. Danke für all deine Mühen. Ich liebe dich, weil du so bist, wie du bist. Ich bin sicher einer der glücklichsten Männer der Welt, weil ich dich gefunden habe. Wenn ich ein einziges Mal im Leben Glück gehabt habe, dann war es an dem Tag, an dem ich dir begegnet bin!« Rainer nahm Brittas Gesicht sanft in beide Hände, küsste ihre geschlossenen Augenlider. Dann gingen beide Hand in Hand ins Wohnzimmer.
»Nun sag mir erst einmal, wo genau du den Kugelschreiber gefunden hast«, bat Rainer.
»In meiner Nachttischschublade«, erklärte Britta vergnügt.
»Was?«
»Er lag in meiner Schublade. Es ist nicht der, den ich dir geschenkt habe!«
»Ich verstehe nicht.« Rainer war irritiert.
»Erinnerst du dich, dass Ulf uns in Griechenland besuchte und, als ich dir das Geschenk gab und du ausgepackt hattest, ihm der Kugelschreiber so gut gefiel, dass er auch einen haben wollte?«
»Ja, jetzt wo du es sagst, fällt es mir wieder ein.«
»Also hatte ich einen zweiten Kuli gekauft, den ich Ulf zu einer späteren Gelegenheit überreichen wollte. Ich dachte, im Harz hätte ich die Gelegenheit. Leider ist es ja anders gekommen. Deshalb hatte ich den zweiten Schreiber noch. Den habe ich vorhin präsentiert, in der Hoffnung, dass es genauso läuft, wie es gelaufen ist. Ich musste erst nur etwas Mut sammeln, um so vorgehen zu können. Sonst hätte ich es schon früher gemacht.«
»Britta, Liebling, damit kommen wir doch nicht durch«, sagte Rainer tonlos.
»Ich glaube es auch nicht, aber zumindest haben wir etwas Zeit gewonnen, und du bist da raus!«
In der Nacht bemerkte Britta, wie unruhig sich Rainer im Schlaf hin und her warf. Sie selbst wurde dadurch immer wieder geweckt. Anhand der Geräusche konnte sie leicht
Weitere Kostenlose Bücher