Stahlhart
Goldstein sprechen. Aber war er zu solch brutalen Taten fähig? Hatte er diese Aggression in sich? Diese Frage konnte Rainer für sich nicht klären. Was war zu tun? Als Erstes sollte er mit Dr. Koschnick reden. Vielleicht konnte der etwas in der Angelegenheit tun, zumindest, was Jens’ Vorwürfe anging. Zweitens war zu überlegen, ob er, Rainer, mit Roland Ernst über seine Gedanken sprechen sollte.
Rainer meldete sich bei Dr. Koschnick an, wartete, bis sein Termin gekommen war, da der Chefredakteur vorher noch ein dringendes Gespräch hatte, und informierte seinen Chef über den Verlauf des Gesprächs mit Jens Goldstein. Allerdings behielt er seine Gedanken bezüglich Jens’ Motiv für sich. Er wollte keine Anschuldigungen erheben, die ohne jeden Beweis waren. Wie schnell konnte ein Unschuldiger in Verruf geraten. Mit der Information aus seiner vorherigen Unterhaltung wollte er keinen Kollegen anschwärzen, natürlich lag es ihm fern, herumzuschleimen, aber da die Zusammenkunft mit Jens eine dramatische Wendung genommen hatte, die auch negativen Einfluss auf den ›Weser Boten‹ nach sich zog, war Krisenmanagement angesagt. Rainer hatte das Vorgehen reiflich abgewogen.
Dr. Koschnick wusste zwar, dass etwas im Argen lag, wie schwer hatte er allerdings nicht erahnt. Genau wie Rainer sah er die Problematik für die Zeitung. »Was manch untere Chargen als Schleimerei abtun, ist für Führungspersönlichkeiten durchaus Weitsicht. In diesem Fall geht es um die Existenz unserer Zeitung. Viele Negativschlagzeilen verkraften wir nicht mehr. Ich überlege mir das passende Vorgehen.«
17
Einige Stunden später traf sich Rainer West mit Roland Ernst erneut im Fährhaus Wessels gegenüber dem alten Klöckner-Gelände, wie Roland Ernst es ausdrückte. Hasenbüren, einer der besten Orte für ein konspiratives Treffen, das die beiden veranstalten mussten. Rainer weihte Roland Ernst in seine Gedanken zu Jens Goldstein ein. Konnte er zumindest als Beteiligter im Bankenungeheuer-Fall betrachtet werden? Rainer West versprach sich von dieser Information zumindest eine Klärung der Frage durch die Polizei in dieser Richtung.
Zur gleichen Zeit saß Jens Goldstein dem Chefredakteur des ›Weser Boten‹ gegenüber. Dieser hatte ihn zu dem Gespräch geladen.
»Jens, was Ihre Berichterstattung über den Verlauf der Verhaftung Rainer Wests angeht, bin ich hochgradig verstimmt, wie Ihnen bekannt sein dürfte. Ist zwischen Ihnen und Rainer West etwas vorgefallen, das ich wissen sollte? Ihre Berichterstattung war eher ein Fanal als eine Information über die Festnahme in dem Fall. Und sie schadete dem Ansehen unserer Zeitung. Ich will von Ihnen klipp und klar hören, was Sie dazu trieb, meine Meinung zum Artikel zu umgehen. Zweitens will ich hören, ob und was Sie beide gegeneinander haben.«
»Nichts, was sollen wir gegeneinander haben, wir sind Kollegen. Da kann es schon mal zu unterschiedlichen Sichtweisen kommen«, gab sich Goldstein trotzig. »Und was die Berichterstattung angeht, Sie hatten mir freie Hand gegeben. Sie hatten zugestimmt, dass wir den Vorteil des Insiderwissens nicht aus der Hand geben und einen Schritt schneller sind als die auswärtige Presse. Es könnte ja auch sein, dass die Polizei Grund hat, so mit Rainer zu verfahren. Dann hätte man uns vorgeworfen, wir würden den eigenen Mitarbeiter zu sehr schützen. Das wollte ich von unserer Zeitung abwenden. Da dachte ich, es sei wichtig, keine Zeit zu verlieren, und habe meinen Bericht direkt in den Druck gegeben, zumal ich mit dem Artikel sehr spät dran war. Ansonsten hätte er wahrscheinlich nicht mehr in der Ausgabe erscheinen können. Ich ging davon aus, dass das in Ihrem Sinne ist.«
»Weder konnten Sie davon ausgehen, noch spielte der Zeitfaktor eine Rolle. Allein die Tatsache, dass einer unserer Mitarbeiter betroffen war, drängte uns in die Position mit der größten Kompetenz. Viele hätten gespannt darauf gewartet, wie wir Stellung beziehen. Stattdessen pinkelten Sie ins eigene Nest. Das will und kann ich nicht akzeptieren. Sie haben gezeigt, dass Sie nicht in der Lage sind, eigenständige Arbeit zu leisten oder die Position eines objektiven Betrachters von außen einzunehmen. Bis auf Weiteres werden Sie in der Kulturredaktion unter dem dortigen Redakteur arbeiten. Er ist schon instruiert. Ich dachte, der Verweis, den Sie erhielten, reichte. Nun sehe ich, dass ich mehr tun muss.«
»Na, da hat Rainer West, Ihr Freund, aber ganze Arbeit
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