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Stahlhart

Titel: Stahlhart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volkmar Joswig , Henning von Melle
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entgegnete Rainer nachdenklich. »Aber war das der Grund, warum Sie mich sprechen wollten?«
    »Nein, eigentlich nicht. Es geht um etwas anderes. Ich habe den Eindruck, zwischen dir und Jens Goldstein gibt es Spannungen. Ich wüsste gern mehr darüber.«
    »Dazu kann ich nichts sagen. Ich dachte immer, er sei einer meiner netteren Kollegen. Kam immer gut mit ihm aus, deshalb hatte ich ihn auch als meinen Nachfolger vorgeschlagen. Es gab so einen Hinweis, dass er auf mich eifersüchtig sein könnte, als wir die Sache in Hannover hatten. Aber ich habe das nicht allzu ernst genommen.«
    »Solltest du vielleicht lieber. Ich will jedenfalls nicht so eine Missstimmung in meinem Team haben. Klärt das unter euch und schafft es aus der Welt.«
    »Machen wir, Chef.«
    »Und woran arbeitest du gerade, weil du hier bist?«
    »Ich war im Archiv. Sehe mir meine alten Fälle an, über die ich berichtet habe. Roland Ernst meinte, es könne vielleicht einen Zusammenhang zu den Banküberfällen geben.«
    »Okay, überprüf das. Du hast recht, die Zeitung darf keinen weiteren Schaden nehmen, weil du involviert bist. Unsere Mitbewerber werden jede Info, die uns betrifft, aufblasen.«
    »Ich tue, was ich kann«, versprach Rainer und ging zurück ins Archiv.
    Unterwegs besorgte er sich einen Kaffee, dann ließ er sich auf seinen Bürostuhl sinken, kippte die Rückenlehne zurück und dachte nach. Die Situation um Jens Goldstein beschäftigte ihn im Moment sehr. Natürlich hatte er die Artikel von Jens um seine Verhaftung gelesen. Aus seiner Sicht hätten sie schon etwas dezenter ausfallen können, ja, müssen. Aber Jens hatte ihn bereits vorverurteilt. Warum das Ganze? Was hatte er dem Kollegen getan? Hinter seinen Attacken konnte nicht nur Neid stecken. Es schien, als wolle Jens ihn am Galgen sehen. Rainer hatte natürlich in Erfahrung gebracht, dass Jens die Artikel entgegen der Anweisung des Chefredakteurs verfasst und in Druck gegeben hatte. Dafür war er schwerstens gerügt, sogar eine Trennung war in den Raum gestellt worden, weil nicht nur Rainer durch die Berichterstattung Schaden genommen hatte, ein Teil war auch auf den ›Weser Boten‹ zurückgefallen: Wie könnte eine Zeitung so lange einen Mitarbeiter beschäftigen, ohne zu merken, welch schweres kriminelles Potenzial in ihm schlummerte, hatte sich sicherlich manch Leser gefragt. Nachweislich war ein gewisser Schwund, mehr als der übliche, bei den Abonnentenzahlen zu konstatieren, aber vor allem die Zahl der Werbekunden war deutlich zurückgegangen. Zwar nicht so drastisch, dass die Zeitung in schweres Wasser geraten wäre, aber eine Tendenz war sichtbar geworden. Wie konnte Jens diese Gefahr nicht sehen wollen? Und wenn sie ihm egal war, stand wieder die Frage nach dem Wieso im Raum. Diesen Fragen hing Rainer nach, aber konnte keine Antwort finden. Rainer West war Jens Goldstein immer fair und freundlich gegenübergetreten, hatte ihn sogar mit nach oben ziehen wollen, wenn er selbst aufstieg. Es gab im Grunde nur eine Lösung, Rainer musste sich mit Jens auseinandersetzen. Und: Wenn Jens irgendeinen triftigen Grund für seine Einstellung zu haben glaubte, war er etwa so schwerwiegend, dass Jens irgendetwas mit den Banküberfällen zu tun hatte? Nein, das konnte nicht sein, wischte Rainer den Verdacht gleich wieder fort. Dr.Koschnick hatte recht, die Kollegen mussten ihr Verhältnis untereinander klären, sonst ergäbe sich eine unerträgliche Situation. Unter der Oberfläche schmorende negative Emotionen, die sich aufschaukeln konnten, würden ein Miteinander unmöglich machen, selbst wenn beide in unterschiedlichen Ressorts arbeiteten. Schließlich begegnete man sich ständig, saß in Redaktionskonferenzen zusammen, wo man Übereinkünfte treffen sollte, fuhr gemeinsam Lift und arbeitete vielleicht gar an manchem Artikel zusammen, wie kürzlich in Hannover. Ein Gespräch war unausweichlich, aber der Zeitpunkt musste taktisch klug gewählt werden.
    Das Telefon klingelte und riss Rainer aus seinen Überlegungen. Es war Britta, die Rainer an ihrem Glück teilhaben lassen wollte, denn Ulf hatte eine Reaktion gezeigt. Sie war zwar nur winzig gewesen, ein Finger hatte gezuckt, aber Britta führte das auf ihre Ansprache zurück. Sie saß stundenlang am Bett ihres Bruders und sprach mit ihm über ihre gemeinsame Kindheit. Eben bei einer dieser Erinnerungen hatte sich der Finger geregt. Obwohl Rainer die Unterbrechung im Moment nicht gebrauchen konnte, ging er auf Britta ein,

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