Stahlhart
Zumindest müssen wir auch berücksichtigen, dass wir mehrere Personen zu finden haben.«
»Können Sie uns sagen, wo Sie gestern Abend ab 19.30Uhr waren?« Hauptkommissarin Uta Hansen saß Rainer West im Vernehmungsraum gegenüber.
»Wieso, ist etwas Neues geschehen?«
»Bitte, beantworten Sie meine Frage.«
»Das kann ich Ihnen gern sagen, ich war zusammen mit meiner Freundin im Krankenhaus. Und wenn Sie noch mehr Fragen haben, sollten Sie Dr. Senkstake hinzubitten.«
»Das wird nicht nötig sein. Natürlich kann im Krankenhaus jemand bestätigen, dass Sie da waren.«
»Natürlich alle diensthabenden Schwestern, Pfleger und der Stationsarzt der Intensivstation.«
»Und wie lange waren Sie im Krankenhaus?«
»Bis etwa 23 Uhr. Reicht das?«
»Es sieht so aus.«
Im Nebenraum machte Britta Kern die gleiche Aussage gegenüber einem Mitarbeiter von Frau Hansen.
Hauptkommissarin Hansen stand an der Kopfseite eines langen Konferenztisches. Um den Tisch herum saßen die Mitarbeiter ihres Ermittlerteams. Hinter Frau Hansen befand sich eine überdimensionale Pinnwand, an der mit Magnetpunkten die ermittlungsrelevanten Fakten angebracht waren. Die Tatorte mit Fotos und Lageplänen, Bilder der Toten, Fotos von vermeintlich zuzuordnenden Fundstücken, Abdrücken oder anderen Details, die den Taten zugeordnet worden waren. Ansonsten war der Raum schmucklos öde.
»Ich denke, wir müssen noch einmal von vorn anfangen. Wir sind in einer Sackgasse gelandet. Ich gebe zu, dass ich zu sehr auf Rainer West fixiert war. Es hatte aber auch alles so schön gepasst. Jetzt gestehe ich ein, dass ich mich verrannt hatte. Wir müssen etwas übersehen haben. Tatsache ist, Rainer West steht fest im Zusammenhang mit dem Fall. Aber wir können nicht sagen, wie er hineinpasst. Ich schließe ihn nach gestern als Täter aus. Jetzt denke ich, dass jemand ihm etwas anhängen will. Der Kugelschreiber ist mir inzwischen ein zu offensichtlicher Hinweis auf West. Rollen wir noch einmal alles auf, aber diesmal ist das Umfeld von Rainer West genauestens zu untersuchen. Gehen wir an die Arbeit.«
Als Rainer West in die Redaktion kam, ging er zuerst zu Dr. Koschnick und berichtete von seiner gestrigen Vernehmung.
»Ich glaube, für mich ist es vorbei. Durch die gestrigen Morde bin ich aus der Schusslinie. Ich hatte ein Alibi. Damit sollte ich wirklich raus sein.«
»Ich wünsche es dir sehr, damit du dich endlich wieder auf deine Arbeit konzentrieren kannst. Auch wäre dann unsere Zeitung aus dem Schneider«, freute sich der Chefredakteur, doch hier sollte er irren. Aus dem Großraumbüro, einem mehrere Hundert Quadratmeter großen Saal, in dem diverse Schreibtische mit Computerarbeitsplätzen jeweils zu verschiedenen Ressorts gruppiert waren, drang ein überlautes Streitgespräch an die Ohren Dr. Koschnicks und seines Gesprächspartners.
»Was ist denn da los?«, irritiert erhob sich Koschnick und verließ das Büro in Richtung des Lärms. Rainer West folgte ihm. Quer durch das Großraumbüro sahen beide eine Menschentraube stehen, die sich um die Arbeitsplätze des Kulturressorts gruppiert hatte. Im Mittelpunkt dieser Traube schrie und pöbelte ein Pärchen, bestehend aus dem Ressortchef des Kulturbereiches Alfred Surbeck und Jens Goldstein.
»Ich bin nicht Ihr Hansel, den Sie rumkommandieren können. Was soll das, dass ich hier Arbeiten übernehmen soll, die für einen Volontär gerade richtig sind? Halten Sie mich für einen Idioten?«, polterte Goldstein.
»Sie sind ein Mitarbeiter von mir und führen die Arbeiten aus, die ich Ihnen zuweise Punkt!«, konterte Alfred Surbeck.
»Was ist, wollen Sie einfach nur Macht demonstrieren oder macht es Ihnen Spaß, mich zu demütigen? Machen Sie den Kram doch allein.« Mit einer Bewegung des linken Arms wischte Jens Goldstein die Arbeitsplatte des ihm nahe stehenden Schreibtisches leer. Ein aufgeklappter Laptop und Ablagekörbe knallten auf den Boden, Papiere segelten hinterher.
»Es hat schon seinen Grund, warum Sie hier ein kleiner Mitarbeiter sind und ich Ihr Chef, also reißen Sie sich zusammen.«
Das war der falsche Satz! Jens Goldstein packte seinen Kontrahenten am Revers seines Sakkos und zog ihn zu sich her.
»Was wollen Sie damit sagen? Ich bin länger hier als Sie. Ich habe wichtige Aufgaben erledigt, während Sie hier nur für Trallalla zuständig sind.«
Im gleichen Moment erreichte Dr. Koschnick die beiden.
»Auseinander, aber sofort. Was geht hier vor?«, herrschte er
Weitere Kostenlose Bücher