Stahlhart
Gedanken versunkene Frau, aus der Neurochirurgie kommend, dem Rettungswagen fast vor die Front gelaufen wäre. Gott sei Dank hatte sie geistesgegenwärtig einen schnellen Schritt zurück machen können. Rainer West wurde zur Notaufnahme gefahren, wo schon ein Arzt mit zwei Pflegern auf den ankommenden Rettungsdienst wartete. Hier wurde er in ein Behandlungszimmer geschoben, wo die erste Untersuchung stattfand. Der Blutverlust war enorm, aber nicht so dramatisch, dass er nicht ausgeglichen werden konnte. Während sich im Operationssaal ein Team bereitmachte, wurde Rainer West geröntgt. Die Aufnahmen zeigten, dass er unglaubliches Glück gehabt hatte. Die Kugel war nicht tief in den Körper eingedrungen, sondern von einer Rippe abgeprallt. Dabei hatte Rainer noch zusätzlich einen Schutzengel gehabt. Die Kugel war direkt nahe der Abzweigung der Rippe von der Wirbelsäule in den Körper eingeschlagen. Ein, zwei Zentimeter weiter rechts und die Wirbelsäule wäre geschädigt worden, ein paar Zentimeter tiefer oder höher und die Kugel wäre in die Lunge eingedrungen oder gar ins Herz. Rainer West musste nicht operiert werden. Die Wunde wurde versorgt und der Patient zur Beobachtung auf ein Zimmer der Intensivstation gebracht. Er bekam weiterhin Bluttransfusionen zugeführt. Gleichzeitig lief eine Infusion zur Schockabwehr und Volumenauffüllung des Blutes nebenher. Rainer West würde überleben und bald wieder zu Hause sein können.
Die SOKO Bankenungeheuer tagte.
»Mir ist nicht klar, wie der Überfall auf West in die Geschichte passt«, gab Hauptkommissarin Hansen ihre Verwirrtheit zu. »Ist das die gleiche Geschichte wie bei Ulf Kern? Ein Täter versucht, einen Komplizen loszuwerden?«
»Dann ist Rainer West doch wieder im Spiel?«, fragte Roland Ernst nach.
»Ich weiß nicht, mir ist nicht ganz wohl dabei. Immer mehr verdichtet sich bei mir die Ansicht, dass versucht wurde, West etwas anzuhängen. Nachdem das nicht geklappt hat, wurde der direkte Weg beschritten. West sollte aus dem Weg geräumt werden. Aber natürlich müssen wir auch wieder an die Möglichkeit denken, dass West zum Täterkreis gehört. Ein Täter versucht, den Komplizen auszuschalten. Aber langsam wird es mir zu offensichtlich, dass immer wieder auf West gezeigt wird.«
»Im Moment kann West da nicht weg, ähnlich wie Ulf Kern. Aber wir sollten vielleicht jemanden vor die Tür setzen«, schlug ein Teammitglied vor.
»Das halte ich nicht für notwendig. West ist die ganze Zeit über geblieben. Wenn er Fluchtgedanken hätte, wäre er schon vorher abgehauen. Die Presse wird sich wieder auf uns stürzen, entweder weil wir West zu früh entlastet haben oder weil er wieder in den Fokus gerät und nicht in Ruhe gelassen wird. Gönnen wir West eine Pause. Dann haben wir auch Ruhe vor Senkstake. Aber wir müssen uns mehr auf das Umfeld Wests konzentrieren. Liegen schon irgendwelche Erkenntnisse vor?«, fragte Hauptkommissarin Hansen in Richtung der Mitarbeiterin, die im Innendienst für die Koordination zuständig war.
»Wir haben Teams dran!«
»Gut, aber machen Sie mehr Druck!«
Am nächsten Morgen tauchte in der Redaktion des ›Weser Boten‹ ein Zwei-Mann-Team aus der Ermittlungsgruppe von Hauptkommissarin Hansen auf. Sie wollten zu Jens Goldstein, der allerdings abwesend war. Über Dr. Koschnick ließen sie ihm ausrichten, er möge sich doch bitte mit Frau Hansen in Verbindung setzen.
Als Jens Goldstein davon erfuhr, ahnte er, was der Hinweis von Rainer West zu bedeuten hatte. In der Folgezeit hatte Jens seine eigenen Unterlagen zu Hause durchgesehen. Er hatte sich Gedanken zu Terminen und Orten gemacht sowie nach Entlastungsargumenten gesucht. So war er für ein Gespräch mit Hauptkommissarin Hansen optimal vorbereitet. In einem Telefonat mit Roland Ernst hatte er zusätzlich Erkundigungen eingezogen, ob er tatsächlich gefährdet sei. Dabei hatte er von Roland erfahren, dass zwar Überlegungen in seine Richtung angestellt würden, aber nichts Definitives gegen ihn vorlag. Es könne sein, dass er irgendwann vernommen werde, aber es bestünde zum jetzigen Zeitpunkt keine Gefahr, dass intensiv in seine Richtung ermittelt werde. Mit diesem Hintergrund meldete sich Jens Goldstein auf dem Kommissariat. Man vereinbarte einen Termin, zu dem er pünktlich erschien.
»Frau Hansen, was rechtfertigt die Tatsache, dass Ihre Leute so plump in der Redaktion erscheinen, die Pferde scheu machen und sich nach mir erkundigen? Bin ich
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