Stahlhart
vorbeifahren, um von Ulfs Zustand zu berichten.
Für Brittas Vater waren Ulfs Tat und die Folgen nicht überraschend gekommen. Er hatte es natürlich kommen sehen. Nach unendlich scheinenden Vorkommnissen hatte er sich seinerzeit schließlich dazu durchgerungen, sich von seinem Sohn loszusagen. Brittas Mutter hatte sich, schweren Herzens, angeschlossen. Trotzdem waren die Eltern froh darüber gewesen, dass Britta den Kontakt gehalten hatte. So erfuhren sie ab und an vom Leben ihres Sohnes. Als Ulf ins Krankenhaus eingeliefert worden war, hatte Britta zwar nichts erzählt, um die kränkelnde Mutter nicht zu belasten. Umso schlimmer war, dass die Mutter dann durch die Zeitungen informiert wurde. Sie war eine Mutter durch und durch und hatte nur ihrem Mann und dem Familienfrieden zuliebe die Trennung von Ulf hingenommen. Jetzt bangte sie, ebenso wie Britta, um das Leben ihres Sohnes, und ließ sich von ihrer Tochter regelmäßig berichten. Sie hatte noch nicht den Mut gefunden, sich gegen ihren Mann durchzusetzen und Ulf zu besuchen.
Britta fuhr also zu ihren Eltern, verbrachte dort zwei Stunden, erzählte ihrer Mutter von Ulf und entschied sich dann, nach Hause zu fahren.
Als sie in die Rembrandtstraße einbog, sah sie schon von Weitem einen Pulk Nachbarn auf dem Bürgersteig stehen, heftig in ein Gespräch vertieft. Britta suchte einen Parkplatz. Aus den Augenwinkeln bekam sie mit, wie einer der Nachbarn auf sie zeigte, als sie an der Gruppe vorbeifuhr. Schließlich fand sie in der benachbarten Georg-Gröning-Straße eine freie Stellfläche, parkte ein und wollte gerade den Wagen verlassen, als ein Polizist mit Sturmhaube sie ansprach. Er legte eine Hand an die offene Fahrertür und beugte sich zu Britta Kern hinunter. Mit dumpfer, durch die Sturmhaube über dem Kopf verzerrter Stimme sprach der Mann auf sie ein: »Entschuldigen Sie, wenn ich Ihnen so vermummt entgegentrete. Ich bin Mitglied eines Sondereinsatzkommandos. Ich möchte Sie bitten, sofort mit mir zu kommen. Auf Ihren Lebensgefährten ist ein Mordanschlag verübt worden.«
Britta fühlte sich wie vom Blitz getroffen.
»Was ist, ich verstehe nicht.«
»Auf Herrn West ist geschossen worden. Ich soll Sie hinbringen.«
»Lebt er? Wieso geschossen worden? Oh mein Gott, hört der Albtraum nie auf? Warum soll denn jemand auf Rainer schießen wollen? Lebt er? Was ist mit ihm?«
»Ja, er lebt. Viele Fragen auf einmal. Kommen Sie bitte, ich bringe Sie hin. Mein Einsatzwagen steht ein Stück weiter hinten.«
Britta stieg aus ihrem Wagen und folgte dem SEK-Mitglied. Der führte sie zu einem grauen BMW und öffnete die Beifahrertür für Britta. Gerade als sie einsteigen wollte, spürte sie einen Stich im Oberarm. Das Anästhetikum tat in Sekundenschnelle seine Arbeit. Britta verschwammen die Bilder vor ihren Augen. Was soll das?, wollte sie sagen, kam aber nicht mehr dazu. Der Vermummte fing die in sich zusammensinkende Britta Kern auf und schob sie in der Bewegung auf den Beifahrersitz des BMW. Ein schneller Blick in die Runde zeigte ihm, dass er nicht beobachtet worden war. Er stieg selbst ein, schnallte Britta an und ließ die Rückenlehne des Beifahrersitzes herunter, sodass die bewusstlose Frau von außen kaum erkannt werden konnte und wenn, würde man sie für eine schlafende Frau halten.
Ein Nachbar, der seinen Hund ausführen wollte, hatte Rainer West auf der Straße liegend gefunden. Der Mann musste unmittelbar nach dem Schuss aus dem Haus getreten sein, denn er sah noch einen Motorradfahrer davonrennen. Das Licht im Hauseingang und die sich öffnende Tür musste den Täter aufgeschreckt haben, sodass der von seinem Opfer ablassen musste. Der Täter konnte nicht einschätzen, wie viele Personen aus dem Haus treten würden, und hatte sich zur Flucht entschlossen. Hätte er nur den einen Mann aus dem Haus treten sehen, wäre mit großer Sicherheit ein zweiter Schuss gefallen. So aber hatten Rainer West und der Nachbar unglaubliches Glück gehabt. Der Täter war in Richtung Wachmannstraße geflüchtet und bald um die Ecke verschwunden. Der Nachbar sah Rainer West liegen, sah die sich ausbreitende Blutlache und rief per Handy sofort den Rettungsdienst an. Nach überraschend kurzer Zeit traf der Rettungswagen ein. Noch vor Ort wurde Rainer West per Infusion ärztlich versorgt, um dann mit Sirenengeheul ins St.-Jürgen-Krankenhaus gebracht zu werden. Auf dem Gelände des Krankenhauses wäre es beinahe zu einem Zwischenfall gekommen, als eine in
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