Stahlhexen
hinter zwei Wagen vor der gesicherten Alconhurst-Einfahrt. Links und rechts von ihm schimmerteder Stacheldrahtzaun in der Sonne. Vor ihm lag ein befestigtes, mit Kameras ausgestattetes Tor, und dann kamen zwei Stahlschranken, die jeweils von einem uniformierten Soldaten mit Gewehr im Anschlag bewacht wurden. Dahinter sah man eine Reihe Armeetransporter mit olivgrüner Plane und dann die mit Sicherheitsbeton verkleidete Seitenwand eines Gebäudes, die noch feucht von Schnee war und leicht in der Sonne dampfte.
Als die Fahrzeuge vor Fletcher die Stahlschranken passiert hatten, forderte der vordere der beiden Wächter Fletcher mit Gesten auf, näher heranzufahren und dann stehen zu bleiben. Eine der Kameras drehte sich und verfolgte seinen Weg. Vor und hinter ihm gingen die Schranken herunter. Der Soldat kommunizierte per Handzeichen mit dem Posten im Torhaus. Die Tür ging auf und eine Frau in grüner Kampfuniform kam heraus, einen aufgeklappten Handheld- PC in der Hand. Sie trat zum Fahrerfenster und Fletcher ließ die Scheibe herunter.
Es war eine zierliche Frau mit südamerikanischem Teint und einem kleinen, makellosen Puppengesicht. Sie musste sich kaum bücken, um durchs Wagenfenster mit Fletcher zu sprechen. Auf dem Namensschildchen auf ihrer Brust stand Sanchez.
»Sie sind ja ganz schön weit weg von zu Hause«, sagte Fletcher.
Sie lächelte und klimperte einmal mit den langen Augenwimpern, ehe sie sagte: »Nehmen Sie den Zündschlüssel heraus und legen Sie ihn an eine Stelle, wo ich ihn sehen kann.«
Fletcher tat es. Er bemerkte einen weiteren Soldaten, der um seinen Wagen herumging und ihn mit einem Spiegel an einer langen Stange von unten absuchte. Dann ging die Heckklappe auf und jemand überprüfte den Kofferraum. Fletcher nannte Sanchez seinen Namen und erklärte, dass der Besuch mit Cherelle Swanson besprochen sei. Er zeigteihr Reisepass und Führerschein. Sie nickte und schaute dabei auf den Bildschirm ihres Handheld-PCs. Die Heckklappe wurde zugeschlagen.
»Noch ein paar Fragen zu Ihrer Identität«, sagte Sanchez. »Nennen Sie bitte Anfangs- und Enddatum Ihrer Dienstzeit bei der britischen Polizei.«
Er beantwortete ihre Frage. Sie tippte etwas in die Tastatur.
»Das Datum Ihrer letzten Einreise in die Vereinigten Staaten.«
»Eine Woche in New York. Das war 1998, irgendwann im Oktober.«
Sie nickte. »Die Höhe Ihrer derzeitigen Gemeindesteuer?«
»Monatlich? Ungefähr 112 Pfund.«
Sie nickte wieder und zeigte ihm den Bildschirm des Handheld-PCs. Er entdeckte seinen markierten Namen in einer Liste mit zahllosen anderen Leuten. »Sehr gut«, bemerkte sie und drehte den Bildschirm wieder weg. »Wenn Sie sich auch noch an die 38 Cent erinnert hätten, würde ich mir Sorgen machen. Das wäre dann doch zu präzise gewesen.«
»Die kleinen Dinger heißen Pence.«
Sie lächelte wieder. Sie war die kleinste und hübscheste Frau, der Fletcher je begegnet war. Und auch die Einschüchterndste. Sie reichte ihm ein Plastikmäppchen mit seinem Namen und einem Foto von sich, das offensichtlich am Eingangstor geschossen worden war.
»Ihr Passierschein, Mr Fletcher. Ms Swanson wohnt in einem Haus in Sektor drei, auf der roten Seite, Nummer neun. Folgen Sie den Hinweisschildern. Sie dürfen mit Ihrem eigenen Wagen weiterfahren, müssen sich aber an die Geschwindigkeitsbeschränkungen halten. Unmotiviertes Anhalten ist verboten. Fahren Sie gleichmäßig und vermeiden Sie insbesondere plötzliches Beschleunigen. Haben Sie noch irgendwelche Fragen?«
»Ich denke, damit ist alles gesagt.«
Sie knipste ihr Puppenlächeln noch einmal an, klappte dann ihren Handheld-PC zu und machte ein Handzeichen zum Torhaus hin. Die vordere Schranke ging hoch und der bewaffnete Wächter winkte Fletcher durch. Fletcher folgte den Hinweisschildern zum Wohnsektor drei und achtete auf ein äußerst gleichmäßiges Tempo.
Cherelle Swanson hatte selbst einmal für die US Air Force gearbeitet und war gekommen, um die sterblichen Überreste eines Expiloten abzuholen, der vor seinem Tod Spitzenmanager eines Luftfahrtunternehmens gewesen war. Daher hatte man ihr Haus neun gegeben: eine Backstein-Beton- Schachtel in einem langen Reihenhausblock, der entlang dem Außenzaun und der Hauptstraße lag. Die Haustür aus Resopal hatte Blasen geworfen, und als Fletcher auf den unscheinbaren Klingelknopf drückte, erkannte er hinter den Spitzenvorhängen nur eine schemenhafte Bewegung. Die Resopaltür ging auf.
»Miss Swanson?
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