Stahlhexen
Sie.«
Er drehte das Notebook herum, damit sie den Bildschirm sehen konnten, und verstellte die Schreibtischlampe. Im Halbdämmer des Raumes warfen die Gewehrläufe, die aus der »Fliegenden Festung« in der Ausstellungshalle ragten, ihre Schatten über den Schreibtisch. Dann leuchtete der Bildschirm auf und der Film lief an.
Sally arbeitete bis nachmittags um drei auf dem Kartoffelacker. Danach steckte nur noch ihre Hacke in der Erde. Ich ging zum Haus zurück und hörte, dass sie sich im Anbau wusch. Sie benutzte das Stück Seife, das noch aus der Zeit vor dem Krieg stammte. Es roch nach Granny. Ich ging hin und stieß die Tür auf.
Sie war nackt und das Haar hing ihr übers Gesicht. Brustkorb, Arme, Schultern und Handgelenke, alles war sehnig und muskulös. Bei ihr war das mit der Haut nicht so auffällig wie bei mir. Ich meine, ich konnte mir vorstellen, dass jemand sie lieben, sie begehren könnte. Sie schloss die Tür mit einem Tritt.
»Sally«, sagte ich. »Du gehst auf keinen Fall da rüber.«
Ich hörte, wie sie sich das Haar wusch und ein Grummein ausstieß.
»Ich komme mit«, sagte ich.
Um vier kam sie aus dem Schlafzimmer. Sie hatte ihr Kleid an, blau mit weißen Punkten, und das Haar war nass und ordentlich gekämmt. Sie zog die Schuhe an und marschierte zum Freien Feld. Ich ging hinter ihr her, über unsere Felder und am Deeping vorbei. Die Sonne stand schon fast hinter den Hecken. Es war heiß.
Sally ging durch die Weizenfelder und ich immer zwanzig Meter hinter ihr her. Wir folgten den Traktorspuren,um das Korn nicht niederzutreten. Auf dem Freien Feld sah ich dann die Rollbahnen. Der Beton war knochenbleich. Die Flugzeuge standen in einer Reihe vor einem Flugzeugschuppen. Auf dem Flugfeld waren Männer, die ein Spiel spielten. Sie schlugen einen Ball mit einem Schläger weg, rannten und fingen ihn. Sally blieb eine Weile stehen und sah ihnen zu. Ich holte sie ein und stellte mich neben sie. »Lass uns nach Hause gehen, Sally«, saugte ich.
Sie sah mich an. Der Weizen raschelte ein wenig.
Es war ein Farbfilm aus der Mitte des 20. Jahrhunderts: bon- bonfarben und ein bisschen körnig, mit ein paar dunklen Streifen und Klecksen, ansonsten aber war er klar. Er war mit Handkamera aufgenommen, doch so, als wäre ein Profi am Werk gewesen: entweder eine Auftragsarbeit oder aber ein mit einigem Aufwand betriebenes Hobby. Der Ton fehlte allerdings. Es war ein Stummfilm in Farbe.
Redshaws Beschreibung stimmte: Es war spät am Nachmittag und die Kamera fuhr langsam über die Gebäude des Luftwaffenstützpunkts. Zuerst sah man den Kontrollturm mit den großen Sichtfenstern, dann einige Mannschaftskasernen, auf deren Dächern noch Dachdecker arbeiteten, während unten schon Reihen von Jeeps und Tanklastwagen parkten. Dahinter standen zwei silberfarbene »Mustang«- Kampfjäger mit abgenommener Motorhaube. Von Nose Art war nichts zu sehen und die tief stehende Sonne fing sich spiegelnd in einer der Seitenflossen.
Fletcher prägte sich dieses Bild besonders ein.
Im Vordergrund sah man auf einer gemähten Wiese neben einer Start- und Landebahn improvisierte Baseball- Markierungen. Ein paar Soldaten standen herum, in Arbeitsuniform, aber auch in Shorts und Unterhemd und ein oder zwei sogar mit nacktem Oberkörper. Alle waren jung, Anfang zwanzig und noch jünger, die ältesten wohl Mittezwanzig. Gerade machte ein magerer Kerl mit Baseballschläger für die Kamera noch einmal vor, wie sein Spiel gelaufen war, erklärte vielleicht seine Taktik und nahm die verschiedenen Spielhaltungen ein, während die anderen lachten und sich Schweiß von den Gesichtern wischten. Der Schlagmann beendete seinen Bericht und verbeugte sich vor der Kamera. Jemand schlug ihm auf den Rücken und wuschelte ihm durchs Haar. Dann zeigte ein anderer, der links im Bild stand, nach rechts hinüber, weg von der Szene. Ein paar Männer drehten sich um, machten die anderen aufmerksam, und bald starrten alle auf etwas, das sich auf der rechten Seite außerhalb des Bildbereichs abspielte. Der Kameramann begriff und schwenkte die Kamera langsam herum. Er musste sie manuell scharf stellen, und einen Moment lang war alles verschwommen.
Rechts neben dem improvisierten Spielfeld reichte ein Weizenfeld bis unmittelbar an die Betonplatte heran, die den Sockel des Kontrollturms bildete. Reife Weizenähren, zwischen denen Mohnblumen leuchteten, bogen sich in der Sonne. Eine schmale Doppelfurche durchschnitt das Feld, wo ein Traktor seine Spur
Weitere Kostenlose Bücher