Stahlhexen
bestimmt bald...«
»Sie haben nicht kapiert, wie das läuft. Es gibt eine Datenbank, bei der die solche Leute melden, und die werden dann nie wieder von jemandem eingestellt. Was soll ich nur zu Hause sagen?« Sie schob sich das Haar aus dem Gesicht. »Ich bin die ganze Zeit im Regen durch diese verdammte Stadt gelaufen und habe darüber nachgedacht, was ich tun soll. Und jetzt weiß ich es.« Plötzlich wirkten ihre Augen in dem trüben Licht ganz klar. Mit einer ihrer schmalen Hände zeigte sie auf Fletcher. »Sie werden mir helfen.«
»Wobei soll ich Ihnen helfen?«
»Es soll denen noch leid tut, wie sie mich behandelt haben, und dafür werden wir sorgen. Ich brauche Sie, weil Sie sich hier in Cambridge gut auskennen. Und Sie brauchen mich, weil ich noch zur Bellman Foundation gehöre. Mir werden die Leute mehr erzählen als Ihnen.«
»Das ist keine gute Idee, Mia. Es liegt nicht in Ihrem Interesse, glauben Sie mir.«
»Warum denn nicht?«
»Auch Daisy Seager stand auf einer Liste. Auf einer ganz anderen Art von Liste. Sie war auf der Suche nach Standorten ehemaliger amerikanischer Luftwaffenstützpunkte. Mia, das hier ist gefährlich.«
»Tom, ich kann nicht einfach so nach Hause zurückflie-gen und den Rest meines Lebens in Sack und Asche gehen. Ich muss mich gegen diese miesen Typen wehren. Und ich kann wirklich Leute zum Reden bewegen. Ich habe noch meine Bellman-Visitenkarten und meinen Bellman-Mitar- beiterausweis.«
»Tut mir leid, Mia. Daraus wird leider nichts.«
»Sie brauchen einen Zeugen, Tom. Jemanden, der sieht, was Sie sehen, und der Ihre Aussage bestätigen kann, wenn etwas passiert. Das wissen Sie doch selbst am besten, Tom. Und ich will es denen von der Bellman Foundation wirklich zeigen. Ich brenne darauf, die so richtig fertigzumachen.«
Er dachte darüber nach, während der Regen gegen die Scheiben prasselte und flüchtige Schatten durch das Zimmer huschten.
Gefühle waren doch so unterschiedlich wie Metalle, dachte er plötzlich. Ehrgeiz war wie Aluminium vielleicht und Liebe eine Art Bronzelegierung. Groll und Rachsucht dagegen, die schweren Elemente des emotionalen Haushalts - das war das spaltbare Material.
»Dann muss ich Ihnen verschiedene Dinge erklären, Mia«, sagte er.
»Gut.« Sie stand auf, ging zu ihm und drückte ihm mit warmen Lippen einen schnellen Kuss auf die Wange. Ihr nasses Haar streifte sein Gesicht. »Am besten sofort.«
»Ich erkläre es Ihnen gleich im Wagen.« Doch, doch, die Idee war gut, redete er sich zu. Die feuchte Spur auf seiner Wange verdunstete an der Luft wie Kerosin.
»Wohin fahren wir?«
»Es regnet. Genau das richtige Wetter, um ins Museum zu gehen.«
Die Fahrt dauerte eine Weile, denn unter den tief hängenden Wolken ballte sich der Verkehr, da das Schmelzwasser von den Feldern schon in kleinen Bächen durch die Straße floss und die Autos wie Motorboote mit Bugwellen durchs
Wasser pflügten. Aber wenigstens verschaffte ihnen das Zeit zum Reden. Fletcher berichtete Mia, was er an diesem Tag in Erfahrung gebracht hatte. Anfangs war er noch verschlossen und ließ alles Persönliche aus - wie zum Beispiel, dass er sich an eine Landkarte mit Luftwaffenstützpunkten im Arbeitszimmer seiner Mutter zu erinnern meinte. Nach einer Weile wuchs sein Vertrauen jedoch. Mia hörte zu, den Blick auf die Wasserlachen auf der Straße gerichtet.
»Felwell College, Bellman und die US Air Force«, sagte sie. »Wir reden hier nicht gerade über einen Kaninchenzüchterverein.«
Er antwortete nicht.
»Und die fürchten sich alle vor Geschichten über Hexen?«, fragte sie.
»Ich würde sagen, da sind sie empfindlich. Sehr, sehr empfindlich. Und wie auch immer die Wahrheit aussieht, Daisy scheint auf irgendetwas Interessantes gestoßen zu sein.«
Der Museumskomplex ragte imposant vor dem Horizont auf. Der mächtige Betonbogen der Ausstellungshalle wurde ganz von einer Glasfront gefüllt, durch die helles Licht in das düstere Grau des Spätnachmittags fiel. Als sie die Eingangshalle betraten, wurde das Museum gerade geschlossen. Die letzten Besucher gingen, und auch die Museumsangestellten, alle im Anzug, verließen das Haus durch die Drehkreuze. Die Dame am Empfang sah mit erstaunt hochgezogenen Augenbrauen auf Mias Bellman-Ausweiskarte und rief sofort bei Tim Redshaw an. Es folgte ein kurzes Hin und Her am Telefon, dann nickte sie zustimmend und beschrieb den beiden den Weg.
Zwei Tage später war ich frühmorgens im Hof, um die Hühner zu füttern. Ich
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