Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stahlhexen

Stahlhexen

Titel: Stahlhexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
vorbei.
    »Ich würde gerne sein Zimmer sehen«, sagte Fletcher. Sie betrachtete den Schnee, das Kinn in die Hand gestützt. »Proszq. Bitte«, sagte er.
    Sie lächelte. »Können Sie sich irgendwie ausweisen?«
    Am Ende des Korridors im ersten Stock schloss sie eine Tür auf, die sie einladend aufstieß. Fletcher wusste nicht, womit er zu rechnen hatte. Würde es hier so aussehen wie in dem möblierten Zimmer an der Union Road? Mit einer Wodkaflasche in der Spüle?
    Die Tür schwang leicht zurück.
    Es war das gemütliche, freundliche Zimmer eines älteren Mannes, in dem ein Geruch von Möbelpolitur und Seife hing. Ein Heizstrahler tickte und durch das Fenster fiel graues Tageslicht herein. In dem Zimmer standen nur die typischen Wohnheimmöbel: Tisch, Schrank, Armstuhl und
    25
     

Bett; aber auf dem Tisch lag ein Tischtuch und das Bett war ordentlich gemacht und mit einer karierten Tagesdecke zugedeckt. Auf den Teppichfliesen lag ein Läufer. An der einen Wand stand ein Regal mit Taschenbüchern. Kein PC, kein Telefon.
    »Was passiert mit seiner Post?«
    »Die würde auf dem Tisch liegen. Wenn er welche bekäme«, antwortete sie.
    Fletcher machte den kleinen Schrank auf. Ein paar Flanellhemden, Hosen aus dem Armeeshop, Socken und Unterhosen. Außerdem noch ein blauer Schal, den seine Mutter, wie er sich erinnerte, seinem Vater mal zu Weihnachten geschenkt hatte. Mehr war in Jack Fletchers Zimmer nicht zu finden. Kein Kalender, kein Aktenordner mit irgendwelchen Unterlagen und keine Notizhefte. Weder Bilder noch Fotos. Nichts, das auf einen Hostessen-Club, eine junge Blondine oder einen Toten in einem Steinbruch hingewiesen hätte.
    Er wandte sich an die polnische Pflegekraft. »Ist hier gestern Abend irgendetwas Ungewöhnliches vorgefallen?«
    »Nicht, dass ich wüsste. Aber ich komme, wie schon gesagt, immer erst morgens um sieben.«
    »Wer ist über Nacht hier?«
    »Nachts ist kein Personal da. Die Männer sind mit einem Notruf ausgerüstet, mit dem sie bei Bedarf Hilfe herbeirufen können.« Sie klopfte ungeduldig mit den Fingern an die Tür. »Ich muss wieder runter. Der Schlüssel steckt im Schloss.«
    »Jasne.«
    Er hörte, wie sie zur Treppe ging, und sah sich noch mal im Zimmer um. Es gab keinen Grund, noch länger zu bleiben, und so ging auch er hinaus und schloss hinter sich ab. Das Holzfurnier der Tür war zernarbt und das Schlüsselloch ausgeschabt. Er klopfte an die Nachbartür, auch dort ein zernarbtes Furnier und ein altes Schlüsselloch, aber es
     

kam keine Antwort. Als er sich umwandte, fiel ihm auf, dass die Tür gegenüber nur angelehnt war und drinnen Licht brannte. Er klopfte an.
    »Nur herein, Junge.«
    Fletcher schob die Tür auf.
    Die gleichen Teppichfliesen und Möbelstücke - aber ein anderer Geruch: nach Zigaretten, Schweiß und alten Schuhen. Im Armstuhl beim geöffneten Fenster saß ein Mann. Die Vorhänge wehten in dem kalten Luftzug, der hereindrang, und der Schnee, der draußen fiel, hatte dieselbe Farbe wie das Gesicht im Licht der Tischlampe. Neben dem Alten stand eine geöffnete Bierflasche aus dem Supermarkt und im Aschenbecher glomm eine Zigarette.
    »Sie sind also der Junge. Sie sind dieser Tom«, sagte der Alte.
    Er war ein massiger Mann Ende sechzig, also älter als Jack Fletcher. Unter einer hellbeigen Weste wölbte sich ein Bauch und die nackten Arme waren von Tätowierungen überzogen, die das Alter geschwärzt hatte. Der Mann nahm seine Zigarette aus dem Aschenbecher und hielt sie zwischen den Fingern, während er sich mit dem Daumen am Kopf kratzte. Bis auf einen schmalen Kranz stoppligen Haars war er kahl. Er zog an dem Glimmstängel und legte ihn wieder weg.
    »Der Arzt sagt, ich muss mit dem Rauchen aufhören.«
    »Ich glaub, die Kälte hier im Zimmer bringt Sie schneller um.«
    Der Mann lächelte und kratzte sich an einer Tätowierung. »Ich bin John Rossi, ein Freund von Ihrem Dad.« Er hatte fingernagelbreite, rote Striemen auf der Haut. Die dunklen Augen musterten interessiert Fletchers Brust und Schultern. »Ja, Jack sagte, dass Sie sich fit halten.«
    Fletcher war verblüfft, dass sein Vater etwas über ihn wusste.
    »Kennen Sie meinen Dad gut?«
    27
     

»So gut es eben geht. Tut mir leid, dass Sie sich nicht setzen können. Ich hab nur diesen einen Stuhl.«
    »Schon gut. Wissen Sie, wo mein Dad jetzt ist?«
    »Nein. Was hat unsere eiskalte Schöne Ihnen denn gesagt? Wie ich gehört hab, sprechen Sie ihre Sprache.« Er zwinkerte.
    »Sie sagte, er ist um

Weitere Kostenlose Bücher