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Stahlstiche

Stahlstiche

Titel: Stahlstiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz J. Raddatz
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war eine Fackel. Die leuchtete die Finsternisse, Heimlichkeiten und Machenschaften derer aus, die die Republik verdarben: ob sie – «ein Schlemihl, ein armseliger Nebbich» – wie Ernst von Salomon nur ein bißchen den Rathenau-Mördern halfen oder – «Wird in Deutschland nicht seit Jahren der Krieg gegen Polen geschürt?» ( 1931 !) – ob sie schon 1931 die Weichen ins Unheil stellten: «Wir leben schon im militärisch-fascistischen Regime, für dessen Herbeiführung die Herren Schacht und von Seeckt, zwei Geschaßte, die allzu gern wieder ran möchten, verantwortlich sind.»
    Was mit diesen acht Bänden vorliegt, ist eine Geschichte der Weimarer Republik
vu travers un tempérament,
um Zolas berühmte Formel zu paraphrasieren. Und es liegt auch vor ein abermaliges Zeugnis gegen das stereotyp-stumpfsinnige «Wir konnten es nicht wissen, wir haben nichts gewußt. Wer hat uns denn gesagt»: Das hier war alles gedruckt, Woche für Woche erschien das Menetekel an der roten Wand. Gewiß, die «Weltbühne» hatte eine kleine Auflage ( 15 000 in ihren besten Zeiten), und auch vergleichbare Publikationen wie das «Tage-Buch» des brillanten Konkurrenten Leopold Schwarzschild waren keine Massenblätter. Nur wer wollte, der hätte wissen können. Nicht-Lesen ist noch kein Qualitätsnachweis und kein Unschuldsbeweis.
    Das gilt übrigens für Optanten jeder Couleur. Schon 1931 schrieb Ossietzky – Jahre vor den berüchtigteren Stalin-Prozessen – über den fragwürdigen (antisemitisch geprägten?) Prozeß gegen den international renommierten Direktor des Moskauer Marx-Engels-Instituts Rjasanow: «Die Moskauer Götter dürsten wieder … Kenner halten die Schuld der Angeklagten mindestens für psychologisch unmöglich … Die Grundlagen dieses Prozesses sind schwach, seine Motive ganz nebelhaft.» Ossietzky ist der klassische Parteilose, dessen Intellekt ihn zum Souverän macht: will sagen, der ohne Rücksicht auf Machtgruppierungen, Abonnenten, Anzeigenkunden, Interessenvertreter oder politische Parteien frei, also souverän urteilt. Das ist kein sich liberal nennender Einerseits-andererseits-Journalismus, sondern ein klares, meinetwegen radikales Weder-Noch: «Die KPD mag wohl eine radikale Partei sein, die ihre Impulse von einer revolutionär bewegten Epoche empfängt, aber eine Revolutionspartei ist sie nicht.»
    Die Lektüre dieser fulminanten Leitartikel einer Wochenzeitschrift gleicht dem Anblick einer Wochenschau (mit der Rasanz eines Politthrillers): Großaufnahme allemal. Doch ist gleichsam Brechts Diktum befolgt, die Fotografie der IG Farben sage nichts über die IG Farben – hier wird mit schärfstem Mikroskop diagnostiziert, mit skalpellgenauem Wort skelettiert. So gut Ossietzky weiß, daß die KPD einer Revolutionsromantik ohne jeden realen Boden nachhängt, so präzise prangert er früh Hitler als gerissenen Industrieagenten an, der weiß, was seine Einbläser wollen, und der von den bürgerlichen Politikern nicht wirklich gebremst wird. «Der Politiker Brüning hat den Ruck nach rechts gewollt und statt dessen den Fascismus heraufbeschworen.»
    Aber Ossietzky argumentiert nicht punktuell, sondern im historischen Kontinuum. Keineswegs sieht er den heraufziehenden Nationalsozialismus als Naturkatastrophe, vielmehr deutlich als Folge geschichtlicher Kausalität; er sieht die Wirkung, aber er kennt – und benennt – die Ursachen:
    Dieses Millionenheer, das sich dem Fascismus in die Arme wirft, fragt nicht, weil ihm nichts mehr zu fragen übrig geblieben ist. Desperat und kritiklos folgt es einer bunten und lärmenden Jahrmarktsgaukelei, weil nichts schlimmer werden kann als es bereits ist, so wie ein von den besten Ärzten aufgegebener Patient schließlich den Weg zum Kurpfuscher findet, der dem Krebskranken empfiehlt, eine Walnuß in der Tasche zu tragen … An dieser Partei ist nichts originell, nichts schöpferisch, es ist alles entlehnt. Sie hat kein eignes geistiges Inventar, keine Idee: Ihr Programm ist in aller Welt zusammengestoppelter Unsinn. Ihr äußerer Habitus und ihr Wortschatz stammen teils von den Linksradikalen, teils von Mussolini, teils von den Erwachenden Ungarn. Nur die Vereinsparole «Juda verrecke!» ist wohl in eigner Kultur gezogen.
    Das Leben
    Spektakulär, gar auf irgendeiner anderen als seiner «Weltbühne», verlief Ossietzkys Leben nicht: kein Glamour, keine Feste, keine (?) Amouren. Verglichen mit den Villen und Yachten und Landsitzen unserer heutigen Pressetycoone

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