Stahlstiche
von Männern bestimmt, die Ideologien werden von den Männern bestimmt wie der Krieg, der Zerfall, die Vernichtung. Es ist also für mich der männliche Körper als Darstellung viel wichtiger als der weibliche. Wobei wir aber von Skulptur reden. Wer meine Zeichnungen kennt, weiß genau, daß es da in ganz andere Sachen überschlägt.
FJR : Reden wir nicht auch von Graphik?
HRDLICKA : Sicher. Aber vielleicht könnte man auch sagen, ich lüge unglaublich, indem ich eigentlich doch homoerotische Neigungen habe. Die aber verstecke ich hinter Ideologie. Aber ich kann immer nur wiederholen, ich leg mich nicht vor mir selber auf den Diwan und analysiere mich. Tatsache ist aber – egal, welche von meinen Themen man nehmen will –, daß alles auch einen starken politischen Charakter hat. Vielleicht würde ich so weit gehen zu sagen, der Mann ist ein politischer Körper. Ich erinnere mich an mein Bildhauerbuch, da habe ich Lévi-Strauss etwas persifliert und hab das geile Fleisch und das geschundene Fleisch gemacht. Und, ganz typisch, das geile Fleisch ist die Frau und das geschundene der Mann. Zwischen diesem Pendelschlag hat sich meine Kunst immer bewegt, wobei das Erotische immer Transportmittel ist. Also Kunst kann nur erotisch sein, ob Theater, Pantomime, Tanz; der Tanz ist keineswegs nur erotisch, aber ohne Erotik geht es im Tanz nimmer. Wenn ich mich zum Beispiel mit Haarmann beschäftigt habe, sind gewiß sehr persönliche Neigungen dabei. Aber ich glaub weniger, daß das homoerotische Neigungen sind, als vielmehr unheimliches Interesse an der Anatomie, am Zerteilen, am Zerstückeln, am Analysieren von Körpern.
FJR : Versteh ich das jetzt falsch, daß auch diese Sequenzen deiner Arbeit in Wahrheit sehr politische Sequenzen sind? Die Haarmann-Suite oder auch jene Pasolini-Formation – willst du damit sagen: Seht her, was geschieht mit diesen Menschen? Sind sie Produkte einer Gesellschaft, die sie verachtet oder denunziert – ein Pasolini, ausgeschlossen von den Kommunisten, ausgeschlossen von den Katholiken – hier war er nicht recht, dort war er nicht recht – und dann auch noch schwul? Ist Haarmann auch ein Stück Faschismus?
HRDLICKA : Sehr richtig! Haarmann ist sozusagen der Massenmörder in Privatinitiative, und wenn ich heute den Faschismus oder den Nationalsozialismus analysiere, dann kann ich ja nicht vage bleiben. Das ist ja die blöde Ausrede aller Faschisten. Ich muß sagen: Für so einen Massenmord, wie er stattgefunden hat, muß es eine Masse von Mördern geben. Das geht ja gar nicht anders. Man kann nicht sagen, das hat ein einzelner Mensch den Leuten angeschafft, und sie sind dieser Faszination des Führers verfallen und haben plötzlich begonnen, die Leute zu drangsalieren und umzubringen. Es ist vielmehr klar, daß es – warum, das kann ich nicht analysieren – in dieser Zeit eine große Bereitschaft gegeben hat, wahrscheinlich aus wirtschaftlicher Frustration, oder nationaler Frustration, seine Mitmenschen so zu drangsalieren. Ich habe es ja selber noch erlebt, auch den österreichischen Faschismus, und dann den Nationalsozialismus, den Sadismus der Vorgesetzten, den Sadismus der Leute, die billig Vorgesetzte wurden. Ohne große Leistung, sondern einfach durch einen Rang, dadurch, daß er einen Rang höher war als der Obergefreite oder Unteroffizier. Dieser Massenmord hat auch eine große Voraussetzung innerhalb dieser Leute gehabt, und für mich ist der Haarmann der Prototyp des rabiaten SA -Mannes. Arbeitsscheu und homosexuell. Wir wissen doch, denk an Röhm, daß Homosexualität und Gewalttätigkeit und auch Sadismus oft zusammenhängen. Zu glauben, daß alle Homosexuellen Schöngeister sind oder Intellektuelle, das ist ein ausgesprochener Quatsch. Gerade im Militarismus steckt ein großes Stück aggressive Männlichkeit, das wissen wir spätestens seit Sparta. Aggressive Männlichkeit, zugleich eine erotische wie sadistische Neigung, sich den anderen einzuverleiben, zu unterdrücken oder ihn zu lieben, meinetwegen.
FJR : Du sprichst jetzt wie ein Säkularprediger. Nun hast du aber eben den Namen eines Mannes genannt, der dich offenbar auch mit seinem Denken beeinflußt hat, nämlich Lévi-Strauss. Aber Lévi-Strauss ist jemand, der sich förmlich ernährt von Geschichtsskepsis, der alles das, was du eben gesagt hast – ob über Haarmann oder den Faschismus oder den Nationalsozialismus – hochrechnet auf die Geschichte der Menschheit und sagt: So sind die Menschen, so waren
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