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Stalingrad

Stalingrad

Titel: Stalingrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Nekrassow
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einfach langweilig zu singen. Er hängt die Gitarre an den Nagel. Einige Zeit sitzen wir schweigend da. Schirjajew erhebt sich, auf einen Ellbogen gestützt.
    »Farber … Warst du vor dem Kriege auch so?« Farber hebt den Kopf.
    »Wie?«
    »So wie jetzt.«
    »Wie bin ich denn jetzt?«
    »Der Teufel weiß es … Ich verstehe dich nicht. Trinken magst du nicht, schimpfen magst du nicht, Weiber magst du nicht … Sieh dir unsern Ingenieur an, das ist doch auch einer mit Hochschulbildung.«
    Farber lächelt kaum merklich.
    »Ich verstehe nicht ganz den Zusammenhang zwischen Wein, Frauen und Hochschulbildung.«
    »Es handelt sich nicht um den Zusammenhang.« Schirjajew setzt sich auf die Pritsche, die Beine weit gespreizt. »Ich verstehe einfach nicht, wie man an der Front ohne Wodka leben kann. Und ohne zu schimpfen. Wie kann man ohne das auskommen? Karnauchow ist ein stiller, bescheidener Bursche – hör nicht drauf, Karnauchow! –, aber wenn er anfängt zu fluchen, dann halte dich fest.«
    »Ja, auf diesem Gebiet bin ich nicht sonderlich stark«, antwortet Farber.
    Schirjajew lacht.
    »Denk bloß nicht, daß ich dich verderben oder dich das Fluchen und Schimpfen lehren will. Gott behüte! Ich verstehe bloß nicht, wie das möglich ist … Aber schwimmen kannst du?«
    »Schwimmen? Nein, kann ich nicht.«
    »Und radfahren?«
    »Radfahren auch nicht.«
    »Hast du jemandem mal die Schnauze vollgedroschen?« »Was rückst du einem Menschen auf den Leib«, mischt sich Karnauchow ein. »Sprich mit Tschumak über dieses Thema. Er wird dir schon was erzählen.«
    »Die Schnauze habe ich schon einem vollgehauen«, sagt ruhig Farber und steht auf.
    »Vollgehauen? Wem?«
    »Ich gehe jetzt.« – Farber antwortet nicht auf die Frage und knöpft den Mantel zu.
    »Nein, sag, wem hast du sie vollgehauen?«
    »Belanglos … Gestatten Sie, daß ich gehe …« Er geht fort.
    »Seltsamer Bursche«, sagt Schirjajew und steht auf. Karnauchow lächelt. Er hat zwei Grübchen in den Wangen, wie ein Kind.
    »Gestern hab ich ihn aufgesucht, als ich vom Ufer kam.
    Sitzt und schreibt. Wahrscheinlich einen Brief. Hatte die vierte Heftseite fertig. Mit kleiner, finzliger Handschrift.
    Ich hätte es schrecklich gern gelesen.«
    Schirjajew zwinkert mir kaum merklich zu.
    »War vielleicht gar kein Brief.«
    »Was denn?«
    »Vielleicht Gedichte.«
    Karnauchow errötet.
    »Warum wirst du rot?«
    »Ich werde nicht rot«, und er errötet noch mehr. Schirjajew unterdrückt ein Lächeln und schweigt, er wendet kein Auge von Karnauchow.
    »Und wie sind deine?«
    »Was – meine?«
    »Deine Gedichte natürlich.«
    »Welche Gedichte?«
    »Denkst du, wir wissen es nicht? Die im Heft, in dem Wachstuchheft. Was steht da, Kershenzew, weißt du es nicht mehr?«
    Karnauchow ist in die Enge getrieben.
    »Ach, das ist bloß so … Aus lauter Langweile.« »Aus lauter Langweile … Alle seid ihr so – aus lauter Langweile. Puschkin, wahrscheinlich auch aus lauter Langweile. Ich trinke Wodka aus lauter Langweile, und ihr schreibt Gedichte. Sicher für deine Liebste, gestehe!«
    »Wollen wir lieber trinken.« Karnauchow mißt mit dem Finger ein Drittel des Wodkarestes in der Flasche ab und gießt es ins Glas.
    Nach einer halben Stunde gehen wir mit Karnauchow fort.
    Am Signal trennen wir uns, er geht nach rechts, ich nach links.
    »Deine Gedichte wirst du mir dennoch vorlesen«, sage ich ihm beim Abschied.
    »Irgendwann …«, antwortet er unbestimmt und verschwindet in der Dunkelheit.
    20
    Die Nacht ist dunkel. Kein Stern ist zu sehen, nur hier und da trübe, auseinandergeflossene Flecke. Ringsum ist Stille, nur vereinzelte Schüsse kommen vom Hügel her.
    An der zerstörten Brücke sitzt jemand. Eine brennende Zigarette glimmt auf.
    »Wer, zum Teufel, raucht da?«
    »Hier kann man nicht gesehen werden«, antwortet aus der Dunkelheit eine dumpfe Stimme, Farbers Stimme.
    »Was machen Sie hier?«
    »Schnappe ein bißchen Luft.«
    Ich komme näher, setze mich zu ihm. Farber sagt nichts mehr, sitzt da und raucht. Ich rauche auch. Wir schweigen. Ich weiß nicht, wovon ich mit ihm sprechen soll.
    »Gleich wird es ein Konzert geben«, sagt Farber.
    »Ich glaube nicht«, antworte ich. »Die ›Esel‹ 11 schweigen bei ihnen schon seit zwei Tagen.«
    »Nein, davon spreche ich nicht, sondern von richtiger Musik. Auf der anderen Seite ist ein Lautsprecher angebracht. Erst kommen die letzten Nachrichten, und dann kommt ein Konzert. Gestern wurde um dieselbe Zeit eins

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