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Stalingrad

Stalingrad

Titel: Stalingrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Nekrassow
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ist er vollkommen ruhig, aber an bestimmten Kleinigkeiten, an den häufigen Zügen, an den unregelmäßigen Pausen, an den zusammengezogenen Brauen, die von der Zigarette beleuchtet werden, fühlt man, daß er schon lange über dies alles hat sprechen wollen – aber entweder war kein Partner da oder keine passende Gelegenheit, keine Zeit oder weiß der Teufel was! Und mir ist klar, daß er erregt ist, aber seine Erregung ist ihm wie vielen Menschen seines Typs, die verschlossen und schweigsam sind, äußerlich fast gar nicht anzumerken, sondern macht ihn nur noch zurückhaltender.
    Ich schweige, höre zu, rauche. Farber fährt fort: »Am vierten Tage nach Kriegsbeginn wurden vor mir in zwei Reihen etwa dreißig junge Burschen aufgestellt – Zimmerleute, Schlosser, Schmiede, Traktorenführer, und mir wurde gesagt: ›Kommandiere sie, bilde sie aus.‹ Das war im Ersatzbataillon.«
    »In einem Pionierbataillon?«
    »Ja.«
    »Sind Sie denn Pionier?«
    »Ja, ich bin Pionier. Oder, besser gesagt, ich war Pionier.« »Warum sind Sie denn plötzlich Infanterist geworden?« »Zwischendurch war ich auch bei den Granatwerfern. Nach der ›Charkowreise‹ mußte ich Infanterist werden.« »Das wußte ich gar nicht. Also Kollegen.«
    »Kollegen«, lächelt Farber und fährt fort: »Man sagt also, ›Kommandiere sie, bilde sie aus.‹ Im Tagesplan steht: Sprengungen – vier Stunden, Befestigungen – vier Stunden, Wege und Brücken – vier Stunden. Sie stehen vor mir, treten von einem Fuß auf den andern, blicken auf ihre Sachen, die unter den Bäumen aufgestapelt liegen, stehen und warten, was ich ihnen sage. Und was kann ich ihnen sagen? Ich weiß nur, daß der Explosivstoff wie Seife aussieht und Dynamit wie Gelee, daß es bei den Gräben volle und halbe Profile gibt und daß, wenn man mich fragt, aus wie vielen Teilen ein Gewehr zusammengesetzt ist, ich mich lange am Hinterkopf kratzen und dann eine beliebige Zahl nennen werde.«
    Er macht eine Pause, sucht in der Tasche die Schachtel mit Tabak. Ich habe es früher nie gemerkt, daß er soviel raucht, eine nach der andern.
    »Und wer ist daran schuld? Der Kuckuck – wie mein Feldwebel sagt? Nein, nicht der Kuckuck … Ich bin selbst schuld. Mir war es einfach vor dem Kriege langweilig, mich mit Kriegswesen zu beschäftigen. Die Lagerübungen sah ich als eine unvermeidliche, im höchsten Maße unangenehme Pflicht an. Sie waren eben eingeführt, und man konnte nichts dagegen machen … Ich betrachtete sie als Pflicht, nicht als Berufung … Meine Sache ist Mathematik und ähnliches. Die Wissenschaft …«
    Farber sucht in den Taschen.
    »Womit sollen wir die Zigaretten anzünden?« sagt er. »Meine Streichhölzer sind alle.«
    »Die Kippe ist auch ausgegangen?«
    »Ja.«
    »Wir müssen auf die Soldaten warten. Sie werden gleich zum Ufer gehen.«
    »Ja, wir werden wohl warten müssen.«
    Und wir warten. Nach einer Weile des Schweigens fährt Farber fort, mit derselben gleichmäßig ruhigen, müden Stimme.
    »Vier Monate habe ich sie unterrichtet. Können Sie sich vorstellen, was das für ein Unterricht war und was ich sie lehren konnte? Für das ganze Bataillon hatten wir nur ein Lehrbuch über Sprengungen, das war alles. Keine andere Literatur. Ich habe nachts studiert. Und am Morgen habe ich den Soldaten erzählt, wie ein Explosionsgerät gebaut ist, ohne es je im Leben in der Hand gehalten zu haben … Brrr … Die Erinnerung allein macht mich schaudern.«
    Die Soldaten gehen vorbei. Wir bitten um Feuer. Hingehockt, steckt ein Soldat sein Feuerzeug an. Wir rauchen der Reihe nach am glimmenden Dochte an. Dann gehen die Soldaten fort. Ihre plumpen Gestalten, in Mänteln über den warmen Jacken, verschwinden eine nach der andern in der Dunkelheit.
    Farber wendet den Kopf.
    »Miesmacher? Ja?« sagt er ganz leise.
    Er hat bis jetzt gesprochen, ohne sich umzudrehen, ins Weite starrend. Jetzt, in der Dunkelheit, fühle ich den Blick seiner kurzsichtigen Augen auf mich gerichtet.
    »Wer ist ein Miesmacher?« frage ich.
    »Ich. Das ist doch wahrscheinlich Ihre Meinung über mich. Nörgelt herum, beklagt sich. Nicht wahr?«
    Ich finde nicht gleich eine Antwort. Er hat in vielem recht. Doch lohnt es sich denn überhaupt, über Vergangenes zu sprechen? Das Vergangene zu analysieren – oder, richtiger gesagt, das Schlechte im Vergangenen – hat nur dann einen Sinn, wenn man aufgrund dieser Analyse die Gegenwart verbessern oder die Zukunft vorbereiten könnte.
    »Meiner Meinung nach

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