Stalingrad
Draht in die Erde ein und ändern das Netzsystem in ein paralleles um. Die Deutschen wiederholen den Feuerüberfall zweimal. Georgij Akimowitsch wendet kein Auge von der »Wheatstone«. Aber alles geht gut vorbei – keine Risse.
Gegen acht Uhr kommt Goldstab, er bringt ein Ohmmeter mit. Führt mich und Lwowitsch zur Seite. Reibt sich die Hände.
»Erstes Signal: ›Wie spät?‹ Das heißt: ›Macht euch fertig!‹ Ausführungsbefehl: ›Schicken Sie Liste Nr. 3.‹ Verstanden? Vom Telefon nicht einen Schritt weggehen!«
»Klar.«
»Denken Sie daran, daß Sie nach dem Vorkommando nur noch eine halbe Stunde Zeit haben. Innerhalb einer halben Stunde muß alles vorbereitet und beendet sein. Für die Evakuierung der Arbeiter sind Sie, Lwowitsch, verantwortlich, Kershenzew für die Sprengung.«
»Klar, und die Reihenfolge?«
»Keine Reihenfolge. Das erste wie das zweite Kommando werden gleichzeitig an alle Werkabteilungen erteilt. Es wird also auch gleichzeitig gesprengt. Nach der Sprengung versammelt ihr euch alle an der Anlegestelle. – Lwowitsch, Sie wissen, wo. Ein Motorboot wird auf euch warten.«
»Verstanden.«
»Alles verstanden?«
»Alles.«
Goldstab fährt wieder ab. Ganz in der Nähe, hinter der Eisengießerei, steigen Raketen hoch, Maschinenpistolen knattern, ab und zu auch Maschinengewehre.
Gleich neben der Tür ist der Hebelschalter an der Wand befestigt, ein kleiner, gewöhnlicher, mit einem schwarzen Hebel, genauso einer wie an den Zählern in den Wohnungen. Ich sehe mir ihn an. Zwei Leitungen gehen von ihm aus, eine zu den Akkumulatoren, das sind acht Kisten, die in einer Grube eingegraben sind, die andere zu den Sprengladungen, dreiundachtzig Säcken mit je einem Zentner Ammonium. Ein Leitungsdraht ist abgeschraubt und ragt heraus. Der Hebel des Schalters ist hochgezogen und für alle Fälle noch mit einem Bindfaden an die Wand festgebunden. In einer Stunde oder zwei, vielleicht auch früher, wird man telefonieren. Ich werde die Drähte verbinden, den Bindfaden lösen, werde nochmals das Netz überprüfen und dann vorsichtig mit zwei Fingern den Hebelschalter niederdrücken … Und dann … gibt es weder Generatoren noch Kessel noch einen Maschinensaal mit schneeweißen Kacheln wie in einem Operationssaal … nichts …
Wir sitzen und rauchen. Walega stopft ein Loch in seinem Hosenknie, Sedych ist mit dem Sergeanten im Werk. In der Ecke leuchtet das Telefon. Georgij Akimowitsch schaltet alle paar Minuten die Wheatstonesche Brücke ein, Igor liegt auf der Pritsche und schaut zur Decke hinauf.
Um zwölf Uhr läutet Goldstab an: »Das Netz kontrollieren und nicht schlafen.«
Im Graben ist es so rauchig, daß man die Gesichter nicht unterscheiden kann, wie auf einem schlecht entwickelten Negativ. Um drei Uhr wieder ein Anruf. Bolschow ruft an, ob wir nicht zehn geeichte Zündhütchen übrig hätten. »Habt ihr welche?« Er wird einen Sergeanten danach schicken.
»Gut.«
Wir rauchen wieder, treten auf den Hof hinaus, schauen nach den Sternen, nach den Raketen, nach dem Koloß des Kraftwerkes mit seinen vier Schornsteinen, kehren wieder zurück. Setzen uns, rauchen. Schalten die Wheatstonesche Brücke ein, schalten aus. Schweigen.
Um fünf Uhr wieder ein Anruf. Es spricht Goldstab. Wir könnten uns schlafen legen.
Gott sei Lob und Dank!
Wir legen uns auf die nackten Pritschen, schieben nur die Pistole auf den Bauch.
Schade, daß wir unsere Mäntel bei Goldstab gelassen haben.
16
Dasselbe wiederholt sich am Dienstag, am Mittwoch, am Donnerstag. Beschuß, Störungen, Wache. Warten auf den Anruf. Um fünf Uhr. – Wir können uns schlafen legen. Die Atmosphäre entspannt sich.
Die Tage vergehen, einer nach dem andern, klare, blaue,
mit fliegendem Altweibersommer.
Der Befehl kommt nicht.
Von der Stadt ist anscheinend nichts mehr übrig. Die Deutschen greifen von morgens bis abends aus der Luft an. Über der Stadt steht eine Rauch- und Staubwolke, die sich nicht mehr fortbewegt. Die Naphthabehälter brennen. Rauch, so schwarz wie Ruß, verdeckt manchmal die Sonne, und dann kann man sie ansehen, ohne die Augen zuzukneifen, wie durch ein verrußtes Glas während einer Sonnenfinsternis. Die Kämpfe toben im Südteil der Stadt am Elevator und im Nordteil auf dem Mamai-Hügel.
In unserer Schlucht hat sich nichts verändert. Einmal sind während der Nacht zwei Divisionen vorbeimarschiert, ununterbrochen, die ganze Nach hindurch, ein Bataillon nach dem andern. Mit Artillerie und Troß. Zweimal
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