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Stalingrad

Stalingrad

Titel: Stalingrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Nekrassow
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als der Elektro-Ingenieur des Kraftwerkes. Alle nennen ihn Georgij Akimowitsch. Alle sitzen und rauchen beim Schein einer »Fledermaus«
    Lampe. Der Graben ist nicht schlecht, mit Brettern verschlagen, mit Blindboden, hermetisch schließenden Türen und mit Pritschen. Genau nach den Vorschriften für Ingenieure gebaut, in Form eines H, mit zwei Eingängen.
    »Was werden wir ohne ein Ohmmeter machen?« frage ich.
    Georgij Akimowitsch blickt mich schief an.
    »Wir haben eine Wheatstonesche Brücke.«
    »Warum sagen Sie das nicht gleich?«
    »Ich sage es doch. Nur, sie ist im Safe, und den Schlüssel hat Putschkow, der Chefingenieur. Und Putschkow ist seit gestern abend im Stab.«
    »Also muß man nach ihm schicken.«
    »Man hat schon geschickt. Nur, sehen Sie, sie sind alle zum ›Roten Oktober‹ hinausgefahren. Schon vor drei Stunden haben sie telefoniert, daß sie kommen. Na, und noch immer sind sie unterwegs.«
    Georgij Akimowitsch hat ein sehr bewegliches Gesicht. Wenn er spricht, bewegt sich nicht nur der Mund, sondern auch die Nase, die Stirn, die eingefallenen, von fiebriger Röte bedeckten Wangen. Im Mund fehlt ihm ein Zahn, ausgerechnet der Vorderzahn, und deshalb lispelt er. Es ist schwer, sein Alter festzustellen, er dürfte fünfunddreißig Jahre alt sein.
    »Zwei Nächte hintereinander hat man nicht geschlafen, und alles umsonst …«
    Nervös zerdrückt er die Zigarette.
    »Und falls man jetzt anruft – Befehl ausführen … was dann?«
    »Dann muß man ihn wohl ausführen«, antworte ich.
    »Hebelschalter runterdrücken? Ja? So, meinen Sie?« Seine großen Augen mit den dunklen Lidern blitzen mich bös an.
    »Meiner Meinung nach, ja.«
    »Und die Arbeiter im Kraftwerk? Zusammen mit den Maschinen zum Teufel, was? Wer wird sie benachrichtigen? Wir beide? Wir werden so schon Arbeit über Arbeit haben.« Er führt die Hand schnell zum Halse. »Überhaupt gibt’s weder einen Plan noch Organisation, nichts …«
    »Georgij Akimowitsch«, unterbricht ihn Lwowitsch; er sitzt seitwärts auf Reserveakkumulatoren, biegt und glättet ein Drähtchen.
    »Was, Georgij Akimowitsch? Man muß immerhin ein bißchen seinen Verstand anstrengen. In dem Kraftwerk arbeiten jetzt sechzig Menschen. Wo sollen sie hin, falls es … falls nichts anderes übrigbleiben sollte, als Krachbum zu machen? … Wohin? Planlos nach allen Seiten? Dann: ist eine Reihenfolge für die Werkabteilungen festgelegt? Keine. Die Eisengießerei wird schon in die Luft fliegen, während wir erst die Vorbereitungen dazu treffen oder umgekehrt. Überhaupt …« Er winkt mit der Hand und knetet mit seinen langen, dürren Fingern die Zigarette. »Jetzt ballert der Deutsche aus Granatwerfern. Trifft ein Splitter die Leitung – ist es aus. Unser ganzes Netz taugt einen Dreck. Wie oft habe ich gesagt, es ist Blödsinn, die Wheatstone im Safe einzuschließen. Man hatte Angst vor Dieben. Es sei der einzige Apparat in ganz Stalingrad. Und jetzt, nun sitz und wart am Meer auf gutes Wetter …«
    Er tut ein paar kurze, schnelle Züge, drückt die Zigarette an der Wand aus und steht auf.
    »Vielleicht ist er schon zurück. Telefonisch kann man keinen Anschluß bekommen. Das ist keine Telefonzentrale, sondern ein Dreck …«
    Igor steht auch auf.
    »Wollen wir zu mir in die Eisengießerei gehen, he? Kannst es dir ein wenig angucken.«
    Wir gehen in die Eisengießerei.
    »Wie gefällt dir diese Type?« fragt Igor.
    »Was soll ich sagen, ich beneide seine Frau nicht. Kraftwerk plus schlechte Verdauung, vielleicht. Übrigens, alles, was er sagt, ist die reinste Wahrheit.«
    »Mich ärgert es.«
    »Du bist ein Neurastheniker geworden. Wahrhaftig – alles ärgert dich. Schapiro, der Lette, wenn er seine Kragen wäscht. Dieser hier kann’s dir auch nicht recht machen. Was willst du denn eigentlich?«
    »Ich liebe Brummbären nicht, nichts zu machen.«
    »Werden’s ja sehen. Man muß Sedych und Walega mit den Zündhütchen vertraut machen, damit sie sie richtig einstecken, ohne sich dabei zu fürchten.«
    Sedych lächelt.
    »Was ist da zu fürchten? Ich habe große Karpfen mit Sprengstoff betäubt, als wir in Kupjansk waren. Haben Sie eine Ahnung, wieviel Fische es da gibt? Wenn wir morgen nicht sprengen, werde ich Ihnen Störe bringen, die Sie mit beiden Armen nicht aufheben können. Ich habe schon gesehen – hier ist ein Boot hinter dem Zaun …«
    Am Eingang zur Eisengießerei umringen ein paar Arbeiter einen kräftigen Burschen mit verbundener Hand. Der Ärmel ist

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