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Stalingrad

Stalingrad

Titel: Stalingrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Nekrassow
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haben die Deutschen versucht, über die Schlucht herüberzukommen, dann fing das Maschinenpistolengeknatter an – meistens in der Nacht. Goldstab ruft an: »Seid bereit!« – Gegen Morgen beruhigt sich alles, und wir legen uns schlafen.
    Wir richten uns in unserem Graben ein. Legen eine elektrische Leitung, kochen das Essen auf einem kleinen Herd, behängen die Wände mit prächtigen Papierbogen aus der technischen Abteilung des Betriebes. Walega und Sedych haben sogar in ihrer Ecke ein Bild von Stalin und zwei Postkarten – die Odessaer Oper und eine Reproduktion von Repins »Saporoger Kosaken«.
    Sedych bringt ein Lehrbuch der Geographie von Kruber angeschleppt, Tschechows Briefe und den Jahrgang 1912 der »Niwa«.
    Abends liest er, wobei er den Finger ständig anfeuchtet, die Stirn kraus zieht und die Lippen bewegt. Manchmal fragt er, was das eine oder das andere veraltete Wort bedeutet oder wie es kam, daß der Zarewitsch Alexej mit sieben Jahren schon so viele Orden hatte. Mir gefällt Sedych, sein stupsnasiges Kindergesicht, seine etwas schrägstehenden, lachenden Augen, seine strotzende Jugend. Mir gefällt sogar seine komische Angewohnheit, in der Handfläche zu bohren, wenn er verlegen ist.
    Er macht alles mit Vergnügen und Begeisterung. Wenn er sich wäscht, dann tut er das so, daß man beim bloßen Zusehen Lust bekommt, sich zu waschen, er prustet fürchterlich, klatscht sich laut auf Schultern und Bauch. Sagt man ihm, er möge ein wenig Holz holen, so bringt er fast einen Kubikmeter an. Seine jungen Muskeln sehnen sich nach Kampf. Schrauben macht er einfach mit den Fingern los. Mit Igor fängt er einen Ringkampf an, und Igor kann nachher zwei Tage lang nicht den Hals bewegen. Dabei hält sich Igor für einen großen Meister des französischen Ringkampfes und kennt alle Feinheiten der »tour des bras« und »tour de tête«.
    Sedych ist bis zur Lächerlichkeit wißbegierig. Er setzt sich zu einem hin, schlingt die Arme um die Knie und hört, den Mund leicht geöffnet, wie Kinder einem Märchen, zu. Seine Fragen kommen unerwartet und naiv kindlich. Warum die Deutschen das Geheimnis der »Katjuscha« nicht erraten können, warum es bei Neumond immer regnet, warum der Kompaßzeiger immer nach Norden zeigt und ob es wahr sei, daß Roosevelt an den Beinen gelähmt ist?
    Eines Abends einmal kommt das Gespräch auf Helden und Auszeichnungen. Sedych hört aufmerksam und gespannt zu, die Knie mit den Händen umschlungen – seine Lieblingshaltung.
    »Was muß man leisten, um den Lenin-Orden zu erhalten?« fragt er. Alle lachen.
    »Nun, wenn nicht den Lenin-Orden, dann einen andern, einen niedrigeren …«
    Ich erkläre es ihm und sage, daß das nicht so einfach sei. Er hört schweigend zu, guckt in die Ecke. Auf seiner Lippe klebt ein Zigarettenstummel.
    »Dann ist ja alles in Ordnung«, sagt er leise.
    »Wieso in Ordnung?«
    »Dann werde ich einen Orden bekommen.« Er sagt es sehr schlicht und überzeugend, als wenn es bereits geschehen wäre.
    Dann steht er auf, um Holzspäne zu holen. Ich blicke auf seinen breiten Rücken, der nicht recht paßt zu dem goldenen Flaum auf den Wangen. Ich entsinne mich, wie er seine Maschinenpistole mit einem Läppchen abgerieben hat vor dem Angriff der Deutschen, jede Schraube, jeden kleinen Schlitz, und ich glaube ihm, was er gesagt hat.
    Walega ist auf ihn eifersüchtig. Das merkt man an allem.
    »Oberleutnant Swiderskij hat keine Ordonnanz, geh doch zu ihm«, sagt Walega grimmig und nimmt ihm den Krug aus der Hand, aus dem er mir eingießt.
    Sedych bringt einen Armvoll Stroh. Walega befühlt es und rümpft die Nase: »Der Leutnant wird auf solchem Dreck nicht schlafen«, und holt anderes, das sich von dem ersten durch nichts unterscheidet.
    Aber im großen und ganzen leben sie freundschaftlich miteinander, kochen gemeinsam das Mittagessen. Walega schimpft ein wenig, bemängelt die nicht gargekochte Grütze. Sedych lacht fröhlich, äfft ihn nach und nennt ihn aus unerfindlichen Gründen: »Schnaps«.
    Abends bereiten Walega und Sedych Sprengkörper vor. Wir haben fünf Reservekisten mit Sprengstoff. Morgens fangen sie damit Fische und kommen mit Eimern voll zappelnder Störe und Sterlette.
    Der Sergeant Wedernikow wird in ein anderes Werk versetzt, und wir sehen ihn nicht mehr. Auch Schapiro und Pengaunis treffen wir nur noch selten. Manchmal kommt Bolschow zu uns, dann spielen wir »Schafskopf« und »17 und 4« auf der dicken »Niwa« als Unterlage. Georgij Akimowitsch

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