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Stalingrad

Stalingrad

Titel: Stalingrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Nekrassow
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sechsunddreißig Mann, nein, nicht mal mit sechsunddreißig, sondern im Höchstfalle mit zwanzig Mann, die Anhöhe werde angreifen können, die durch drei Maschinengewehre, Hilfsmaschinengewehre nicht mitgezählt, verteidigt wird und außerdem sicherlich noch miniert ist. Ganz zu schweigen davon, daß Stürmen nur die halbe Arbeit ist, man muß sich auch noch verschanzen.
    Aber ich sage nichts, stehe da, die Hände an der Hosennaht, und schweige. Am liebsten wäre ich in den Erdboden gesunken, als …
    »Borodin, du wirst ihm etwa zehn Mann vom Ufer her überschicken, alle diese Schneider, Schuster und anderen Nichtstuer. Sie sollen sich dran gewöhnen. Kriegst sie dann wieder zurück …«
    Der Major nickt schweigend mit seinem großen Kopf und lutscht die ganze Zeit über an seiner röchelnden und gurgelnden Pfeife. Der Oberst klopft mit dem Fingerknöchel auf den Tuch und blickt auf die Uhr. Unmäßig groß wirkt sie auf seiner dünnen, vertrockneten Hand. Sie zeigt auf Viertel drei. Er erhebt sich mit scharfer, kurzer Bewegung.
    »Nun, Bataillonskommandeur …« Er streckt mir die Hand hin. »Ich glaube, Kershenzew ist dein Name?«
    »Kershenzew.«
    Seine Hand ist heiß und trocken.
    In der Tür wendet er sich noch mal um.
    »Und diesen … wie heißt er doch … der sich zum Schluß ertränkt hat … diesen Martin gib keinem anderen … Wenn du mir das Buch nicht bringst, werde ich selbst zu dir auf die Anhöhe kommen, um es zu holen.«
    Der Major geht hinter ihm hinaus und klopft mir leicht auf die Schulter.
    »Ein schroffes Wesen hat unser Divisionskommandeur, aber klug ist er, dieser Hundesohn …« Er lächelt selbst über seinen nicht ganz passenden Ausdruck. »Komm morgen früh zu mir, werden alles durchdenken.«
    Die Pioniere kehren zurück, schleppen etwas Plumpes und Schweres mit herein. Garkuscha wischt sich die Stirn ab, keucht.
    »Bojadshijew ist verwundet.« Er läßt sich schwer auf die Pritsche nieder. »Den Kiefer hat es ihm abgerissen.«
    Die Soldaten setzen schweigend und schwer atmend den Verwundeten auf die andere Pritsche gegenüber. Er fällt wie ein Toter darauf, schlapp, mit kraftlos auf die Knie herabhängenden Händen, mit gesenktem Kopf. Er ist mit etwas Rotem umwickelt. Brust, Hände, Hosen, alles ist mit Blut besudelt.
    »Auf dem Rückweg. Da hat der Fritz uns bemerkt. Hat Granatwerferfeuer eröffnet. Kolzow ist tot … Nicht mal Spuren haben wir von ihm gefunden, und dem da hat’s den Kiefer …«
    Der Verwundete stöhnt, wackelt mit dem Kopf. Zu seinen Füßen bildet sich eine kleine runde Blutlache. Marusja nimmt ihm den Verband ab. Zwischen ihren Händen sieht man Nase, Augen, Wangen, Stirn mit einer angeklebten schwarzen Haarsträhne und unten nichts, schwarz und rot … Die Hände krallen sich hilflos in die Knie, in den Rock. Er stöhnt, stöhnt, stöhnt …
    »War unser bester Soldat«, sagt müde Garkuscha. Seine Feldmütze ist ihm vom Kopfe gefallen und liegt auf dem Boden. »Hat fünfzig Stück heute gelegt, ohne ein Wort zu sagen …«
    Nach einer kleinen Weile des Schweigens:
    »Haben wir also alles umsonst gelegt?«
    Ich antworte nicht.
    Man führt den Verwundeten fort.
    Die Pioniere gehen auch, nachdem sie eine Zigarette geraucht haben.
    Ich kann lange nicht einschlafen.
    8
    Vom frühen Morgen an ärgere ich mich über alles. Bin wohl mit dem linken Bein zuerst aufgestanden. Ein Floh krabbelt in dem Fußlappen herum und ist nicht rauszukriegen. Charlamow hat wieder den Bericht verlegt; mit seinen schwarzen armenischen Augen zwinkernd, steht er vor mir, fuchtelt mit den Wänden: »Hab ihn in den Kasten gelegt, und jetzt ist er weg.« … Und die faulige Grützsuppe steht einem auch bis obenhin – jeden Tag, morgens und abends, morgens und abends. Der Tabak ist feucht, zieht nicht. Moskauer Zeitungen sind schon seit drei Tagen nicht gekommen. Acht Mann im ganzen hat man vom Ufer geschickt, alles Krüppel, Lahme und Blinde.
    Alles ärgert mich …
    Bei Farber sind zwei Soldaten durch einen Volltreffer in den Unterstand getötet worden. Ich hatte ihnen befohlen, die Unterstände mit Schienen zu überdecken, auf dem »Metis« liegt ein ganzer Stapel, aber er hat so lange getrödelt, bis er die Leute verloren hat. Ich schreie ihn sogar an, und als er schweigend kehrtmacht und weggeht, rufe ich ihn zurück und zwinge ihn, den Befehl zu wiederholen.
    Habe überhaupt alles satt …
    Ich schicke Charlamow ans Ufer, irgendwelche Formulare zu holen, die ich gar nicht brauche:

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