Stalingrad
Leutnant …«
»Was?«
»Ich werde es weiter oben versuchen. Sonst, wenn das Wasser gefriert, dann …«
Wieder eine Rakete. Garkuscha fällt auf mich. Ich presse das Gesicht in die Erde, bemühe mich, nicht zu atmen. Mund, Nase, Ohren sind voll Schmutz und Wasser. Die Rakete erlischt. Ich hebe den Kopf und sage:
»Gut.«
Was das Minenfeld anlangt, bin ich beruhigt.
Ich wische mir mit dem Ärmel das Gesicht ab.
Eine Hundearbeit ist doch die Arbeit der Pioniere. Dunkelheit, Schmutz. In dreißig Schritt Entfernung die Deutschen, die Eigenen aber irgendwo oben … Und für jede Mine muß man ein Loch graben, die »MUW« hineinlegen – ein Röhrchen mit Feder und einem Schlagbolzen, so spitz wie ein Nagel, und Zündhütchen –, das muß man überprüfen, ins Loch stecken, mit Erde zuschütten und tarnen … Und die ganze Zeit horchen, ob die Deutschen nicht angekrochen kommen, muß sich direkt in den Schlamm plumpsen lassen und darf sich nicht rühren, wenn eine Rakete aufleuchtet …
Man hört, wie die Soldaten die Minen vorsichtig aus den Säcken herausschütten.
Meiner Meinung nach müssen sie in einer Stunde fertig sein.
Und ich muß mich gleich, solange dies alles im Gedächtnis noch frisch ist, an die Formulare und Kartenskizzen der Minenfelder machen. Diese Schreiberei werde ich nun jede Nacht haben. In drei Exemplaren, außerdem noch eine Skizze mit Richtungswinkeln und Lageplan. Vordrucke sind nicht da, man muß alles selbst anfertigen …
Ich krieche den Abhang hinauf. Zwei- oder dreimal stürze ich beinahe. Es ist nichts zu sehen. Stockfinsternis. Die Hände habe ich mir zerstochen an den dornigen Büschen.
Die Soldaten graben schweigend. Man hört nur, wie die Spaten auf der Erde aufschlagen. Neben mir schimpft jemand (in der Dunkelheit sieht man nicht, wer es ist) auf die steinharte Erde – wie auf ein eigensinniges Pferd.
»Wenn wenigstens ein paar Hacken für das Bataillon ausgegeben worden wären! Das nennt sich Spaten … Butter kann man damit schneiden …«
Hacken … Der Teufel weiß, wo man sie herkriegt! Was würde ich nicht alles für ein paar Dutzend Hacken geben. Ich glaube, ich habe noch niemals in meinem Leben sehn süchtiger an etwas gedacht als jetzt an diese Hacken. Wie viele haben auf der Station Morosowskaja herumgelegen! Ganze Berge! Keiner wollte sie auch nur ansehen.
Auf diese Weise werden wir in einem Monat noch nicht mit Schanzen fertig sein …
Nach Mitternacht geht der Mond auf. Schiefbäckig, orangefarben, steigt er jenseits der Wolga hoch und blickt in die Schlucht. In einer halben Stunde wird man dort schon nicht mehr arbeiten können. Und es sind nur vier Mann, aber hundert Minen …
Und der Mond steigt und steigt, wird gelb, dann weiß, ihm ist alles einerlei. Meiner Meinung nach steigt er heute sogar schneller als gewöhnlich, als ob er einem Ziele entgegeneilte oder sich beim Aufgang verspätet hätte. Und wie zum Schur liegt die deutsche Seite im Schatten, und unsere wird von Minute zu Minute heller … Die letzten Reste des Schattens schwinden langsam, wie unwillig zurückweichend, kriechen nach unten, die Büsche einen nach dem anderen bloßlegend.
Jemand sucht mich. Eine junge, beinahe kindliche Stimme, die sich überschlägt. Es scheint der Melder Karnauchows zu sein.
»Habt ihr den Leutnant, den Bataillonskommandeur, nicht gesehen?«
»Welchen? Den mit dem Feldstecher?« fragt eine Stimme von unten, wahrscheinlich aus dem Graben.
»Aber nein, nicht den mit dem Feldstecher. Den Bataillonskommandeur. In blauer Feldmütze …«
»Aha! In blauer Feldmütze … Das hättest du gleich sagen sollen, in Feldmütze. Aber so – Bataillonskommandeur … Wie kann man sich alle diese Kommandeure merken …« »Nun, wo ist er?«
»Hab ihn nicht gesehn«, antwortet gutmütig die Stimme. »Er war nicht hier. Ich weiß wirklich nicht …«
»Du Strohkopf …«
»Vielleicht weiß es Fessenko … Fessenko, he, Fessenko! …«
Ich gehe in die Richtung, aus der das Gespräch kommt. Fessenko antwortet aus einem anderen Graben genauso gutmütig und langsam, daß einer von den Kommandeuren dagewesen sei und auf den Kompanieführer geschimpft habe, weil der nicht richtig hätte graben lassen. »Aber wohin er gegangen ist, das weiß der Teufel …«
»Wer sucht mich?«
»Sind Sie’s, Genosse Leutnant?« Eine kleine, schmächtige Gestalt steht vor mir stramm.
»Ich … Steh nicht stramm, leg dich hin!«
Die Gestalt hockt sich nieder.
»Nun, was ist
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