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Stalingrad

Stalingrad

Titel: Stalingrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Nekrassow
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war auf das andere Ufer abkommandiert worden.
    Unser Gespräch ist streng offiziell – Aufgabe, Zeitpunkt, Ausgangsstelle. Er weiß das alles auch ohne mich, und wir sprechen nur darüber, weil man darüber sprechen muß. Überhaupt haben wir einander nichts mehr zu sagen. Er bemüht sich durchaus nicht, es zu verbergen. Sein Ton ist kalt, trocken, gleichgültig. Seine Augen blicken, wenn sie den meinen begegnen, gelangweilt, ein wenig spöttisch. Seine Burschen, es sind ihrer drei, gleichen ihm: mit großen Haarschöpfen, aufgeknöpften Kitteln, Händen in den Hosentaschen, stehen sie an der Seite und blicken uns an, Zigarettenstummel zwischen den Lippen.
    »Wollen Sie Tarnanzüge?«
    »Nein.«
    »Warum nicht? Ich habe gerade vier Stück hier.« »Nicht nötig.«
    »Wollen Sie Wodka?«
    »Trinken eigenen. Fremden mögen wir nicht.« »Wie Sie wollen.«
    »Sie können auf unser Wohl trinken.«
    »Danke.«
    »Es lohnt sich nicht.«
    Sie gehen fort, zu Karnauchow. Als ich dort hinkomme,
    sind sie nicht mehr da.
    Im Keller ist es eng, man kann sich nicht umdrehen. Zwei Vertreter der politischen Abteilung, einer vom Divisionsstab und der Nachrichtenleiter des Regiments. Das sind alles Beobachter. Ich verstehe die Notwendigkeit ihrer Anwesenheit, aber sie ärgern mich. Alle rauchen fast ohne Unterbrechung. Das ist eben so vor allen wichtigen Unternehmungen. Der Vertreter des Divisionsstabes, ein Hauptmann, schreibt etwas in sein Notizbuch, ständig den Bleistift anfeuchtend.
    »Haben Sie den Gang der Operation überdacht?« fragt er und richtet seine farblosen Augen auf mich. Er hat lange, vorstehende Zähne, die auf der Unterlippe ruhen. »Ja, ich habe ihn durchdacht.«
    »Das Kommando mißt ihr eine große Bedeutung bei. Wissen Sie das?«
    »Ich weiß es.«
    »Wie steht es mit Ihren Flanken?«
    »Mit welchen Flanken?«
    »Beim Vorrücken. Womit werden Sie die Flanken decken?«
    »Mit nichts. Die Nachbarbataillone werden mich unterstützen. Meine Leute reichen dazu nicht aus. Wir gehen auf Risiko.«
    »Das ist schlecht.«
    »Natürlich ist es schlecht.«
    Er schreibt etwas in sein Notizbuch.
    »Über welche Mittel verfügen Sie?«
    »Ich verfüge über keine Mittel, sondern nur über ein Häuflein Leute. Am Angriff werden vierzehn Mann teilnehmen.«
    »Vierzehn?«
    »Jawohl, vierzehn. Vierzehn bleiben an Ort und Stelle. Alles in allem achtundzwanzig.«
    »Ich würde es an Ihrer Stelle nicht so machen …« Er blickt in sein Notizbuch.
    Ich wende die Augen nicht von seinen Zähnen ab. Mich interessiert, ob sie jemals von der Oberlippe bedeckt werden oder ob sie immer so herausragen. Ich bin fast überzeugt, daß er vor dem Kriege Buchhalter oder Rechnungsführer war.
    Ich nehme langsam das Zigarettenetui aus der Tasche. »Wenn Sie an meiner Stelle wären, dann könnten Sie so handeln, wie es Ihnen gefällt, aber vorläufig gestatten Sie mir, nach eigenem Ermessen zu handeln.«
    Er schweigt. Die von der politischen Abteilung schreiben mit gesenkten Köpfen eifrig etwas in ihre Feldbücher. Es sind feine Burschen, sie verstehen, daß Fragen jetzt nicht am Platze sind, und widmen sich schweigend ihrer Sache. Die Zeit verstreicht quälend langsam. Alle Augenblicke wird aus dem Stab angerufen: Ob der Spähtrupp schon zurück sei? Der Hauptmann schaltet auf Karnauchow um.
    Dieser beantwortet alle Fragen ruhig, ausführlich: Womit die Soldaten ausgerüstet sind? Wieviel Handgranaten sie haben? Wieviel Patronen auf jeden kommen? Eine himmlische Geduld hat dieser Mensch! Der Hauptmann schreibt alles auf.
    Ich glaube, ich werde sie gleich alle bitten fortzugehen. Sie können sich auch im Bataillonsgefechtsstand aufhalten.
    Schließlich haben sie hier absolut nichts zu tun. Haben festgestellt, was nötig war, kontrolliert; den Kampfverlauf können sie von dort aus verfolgen.
    Die Uhr zeigt auf Viertel zehn. Ich fange an, nervös zu werden. Der Spähtrupp müßte längst zurück sein. Ein Soldat von der vordersten Linie, der nach Wasser gekommen ist, sagt aus, daß sie schon vor längerer Zeit hingekrochen sind und daß jetzt nichts zu hören ist. Die Deutschen lassen Raketen steigen, schießen wie immer. Es sieht nicht so aus, als ob man unsere Leute gefangengenommen oder bemerkt hätte.
    Ich gehe hinaus.
    Die Nacht ist ganz dunkel. Irgendwo, weit hinter dem »Roten Oktober«, brennt es. Die dünnen Silhouetten der zerstörten Eisenkonstruktionen zeichnen sich ab, wie mit Tusche nachgezogen. Am anderen Ufer donnert einsam eine

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