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Stalins Geist

Stalins Geist

Titel: Stalins Geist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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die Blutung nicht stoppen. So einfach wie möglich ausgedrückt: Das Gehirn ist eine gallertartige Masse, und der Schädel ist aus Knochen. Das Gehirn kann sich ausdehnen, der Schädel kann es nicht. Im Augenblick ist das empfindliche Gehirn unseres Patienten eingezwängt und drückt gegen die scharfen Grate an der Innenseite des Schädelknochens. Und das ist das geringste seiner Probleme, denn schon der Druck führt zu weiteren Blutungen, und diese erhöhen den Druck, der wiederum die Blutung verstärkt, bis das Gehirn sich physikalisch zur Seite verlagert oder herniert, und dann ist das Spiel praktisch aus. Wir können seinen Kopf hochhalten, Sauerstoff hineinpumpen, drainieren und säubern, aber wir werden erst mehr wissen, wenn die Blutung in schätzungsweise zwölf Stunden den Höhepunkt erreicht. Wenn er den überlebt, können wir anfangen, uns Sorgen um seine geistigen Kräfte zu machen. Vielleicht ist er dann immer noch der Mann, der er war, aber vielleicht kann er auch nicht mehr bis zehn zählen. Während ich ihn sondiere, Natascha, nehmen Sie bitte den Bohrer, und reichen mir die Fiberoptik.«
    »Kann er hören?«
    »Ja, aber es sagt ihm nichts. Er ist in einem leeren Raum.
    Wer weiß, was zutage kommt, während das Gehirn zerfällt? Die größten Freuden, die schlimmsten Ängste? Er war nicht bei Bewusstsein, als er eingeliefert wurde, und das ist kein gutes Zeichen. Wie sind die Werte?«
    »Puls fünfundsiebzig, EKG normal. Blutdruck hundert sechzig zu achtzig.«
    »Wann kommen die Neurochirurgen?«
    »Sie sind alle beschäftigt. Kinder, ihr seid das Team. Bei einem Hirntrauma warten wir auf nichts und niemanden. Suchet, und ihr werdet finden. Hier, im Innern der Eintrittswunde, zwischen Hinterhauptsbein und Dura, finden wir eine Kugel, Knochenfragmente und ein umfangreiches Blutgerinnsel. Mull, bitte. Maria, nachdem Sie jetzt intubiert haben, sorgen Sie dafür, dass der Mann schläft.«
    »Ich habe kein Halothan. Ich verwende Äther.«
    »Äther? Wunderbar - das Mittel der Wahl im neunzehnten Jahrhundert.«
    »Elena Iljitschnina, ich bin dazu nicht ausgebildet.«
    »Ihr leistet alle ausgezeichnete Arbeit. Wir wollen sicher sein, dass alles hübsch sauber bleibt. Wir müssen den Thrombus entfernen, bevor wir die Blutungsquelle sichern können. Ich korrigiere mich: die Blutungsquellen. Valentina, machen Sie mit, oder gehen Sie weg.«
    »Ich bleibe.«
    »Dann arbeiten Sie. Vorsichtig. Sie bohren nicht nach Öl.«
    »Ich verstehe das nicht. Als er vorbereitet wurde, hatte er
    Pulverspuren im Haar. Man hat aus nächster Nähe auf ihn geschossen, aber die Kugel hat nur den Schädelknochen durchschlagen?«
    »Offenbar ist er eine harte Nuss.«
    »Sehen Sie die Würgernale an seinem Hals? Ich habe gehört, dass Strangulieren eine Art Sexspiel sein kann.«
    »Woher wissen Sie denn so etwas, Tina?«
    »Ich will nur sagen, man hat ihn aufgehängt und in den Kopf geschossen, und er lebt immer noch. Er ist ein Glückspilz.«
    Schweigen.
    »Wir werden sehen. Kommt darauf an, was Sie als Glück bezeichnen. »
    Scheren schnippen, das elektronische Pfeifen der Monitore. »Gut. Bohren Sie bitte. Denken Sie daran, das Hirn hat keine Nervenenden; es fühlt keinen Schmerz. Absaugen, und für die Stirn einen kleineren Bohrer.«
    »Für die Stirn?«
    »Um den Schädelinnendruck zu überwachen. Nicht hübsch, aber leicht zugänglich.«
    »Sind Sie sicher, dass er uns nicht versteht?«
    »Wir wollen es hoffen. Er wäre sonst sehr entmutigt.«
     
    Arkadi begann, zwischen Picknickdecken umherzuspazieren und nach Schenja zu suchen. Stattdessen sah er seine Eltern, die neben einem offenen Korb auf einer mit Champagnerflaschen beschwerten Steppdecke saßen.
    »Sie wollen Bericht erstatten?«, fragte der General. Arkadi salutierte. »Jawohl, Herr General.«
    »Ist das Lager gesichert?«
    »Das Lager ist gesichert.«
    »Hören Sie das, Below? Arkascha ist mein neuer Adjutant. Sie sind arbeitslos.«
    »Jawohl, Herr General«, sagte der Sergeant.
    »Aber wir sollten es kontrollieren, nicht wahr?« Mühelos schwang er Arkadi auf seine Schultern und lief mit ihm über den Rasen. Sie nannten es Rasen, obwohl es großenteils eine ungepflegte Blumenwiese war, zur einen Seite begrenzt durch die Datscha - eine Hütte mit vier Zimmern und einer Veranda -, zur anderen Seite durch Birken, Weiden und das helle Glitzern eines Flusses.
    Sein Vater galoppierte durch hohes Gras und weiße Gänseblümchen, und trotz seiner kurzen Hose fühlte Arkadi

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