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Stalins Geist

Stalins Geist

Titel: Stalins Geist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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Depressionen wären in diesem Augenblick ein sehr schlechtes Element.« Schweigen. »Ich verstehe. Wären Sie bereit, wenigstens eine Zeit lang zu lügen?«
    »Lügen ist meine Spezialität.«
    »Ich dachte, Sie wären Ärztin.«
    »Stimmt. Ich belüge sterbende Kinder, von morgens bis abends. Ich sage ihnen, sie haben eine gute Chance, wieder zu laufen und zu spielen, während ich weiß, dass sie keine Woche mehr zu leben haben. Und ich nehme ihre Stimmen auf, als wäre es ein Spiel, während die Tonbänder in Wahrheit für ihre Eltern gedacht sind, als Erinnerung. Als Souvenir. Ich lege also wenig Wert auf die Wahrheit, wenn eine Lüge bessere Dienste tut. Das Problem ist, dass ein Kriminalpolizist ein ausgezeichnetes Gehör für Lügen hat.«
    »Sie sind Ukrainerin?«
    »Ja.«
    »Wie haben Sie und der Polizist sich kennengelernt?«
    »Das war in Tschernobyl.«
    »Romantisch. »
     
    Der Stolz seines Vaters war ein Teich, sechzig Meter lang, vierzig Meter breit und tief genug zum Schwimmen. Das Wasser, das vom Fluss hineinkanalisiert wurde, war frisch genug für Sonnenfische und Barsche, Frösche und Libellen, Rohrkolben und Schilf. An einem Steg war ein Ruderboot festgemacht. Ein gelbes Badefloß und eine weiße Boje schwammen in der Mitte des Teiches. Jeden Morgen ging der General im Bademantel durch eine Gruppe von Fichten hinunter zu seinem Teich und schwamm eine halbe Stunde lang. Nachmittags war dort jeder willkommen. Es waren goldene Zeiten, während Arkadis Vater auf seine längst überfällige Ernennung zum Marschall der Armee wartete. Sie stand jetzt endlich bevor, hieß es. Es war eine Zeit der Federballspiele auf dem Rasen, eine Zeit der langen Tische mit zahllosen Gästen und endlosen Trinksprüchen.
    Wenn sie allein waren, ruderten seine Eltern mit einem Picknickkorb hinaus zu dem Floß. Eines Abends ruderten sie mit dem Grammophon hinaus und tanzten dort.
     
    OI:20 - ICP: 20 mm Hg, RR: I90/9I, PR: 65
    »Noch eine Stunde.«
    »Maria, ich tue nichts anderes, als auf diesen idiotischen Monitor zu starren und zu versuchen, den Druck mit der Kraft meines Willens zu verringern, und ich mache meine Sache nicht besonders gut. Aber ihr Kinder habt gut gearbeitet; ich bin stolz auf euch. Wo ist Valentina? Wollten Sie nicht zusammen nach Hause gehen?«
    »Sie ist draußen.«
    »Allein?«
    »Ihr kann nichts passieren. Sie unterhält sich mit einem Kriminalbeamten. »
    Seine Mutter lächelte beim Rudern, als gingen sie und Arkadi auf ein geheimes Abenteuer. Nasse Steine und Schmetterlingsnetze lagen zwischen ihren Füßen. Die Steine in Arkadis Taschen waren unbehaglich schwer, und er warf einen ins Wasser.
    »0 nein, Arkascha«, sagte seine Mutter. »Wir brauchen jeden einzelnen.«
     
    04:03 - ICP: 23 mm Hg, RR: 1441220, PR: 100
    »Sie sind wieder da, und Sie sind betrunken.«
    »Ich brauche keine Ärztin, um das zu wissen. Der springende Punkt ist, Elena Iljitschnina - wenn ich Sie mit Ihrem Vaternamen anreden darf -: Ich trinke nicht auf der Station. Ich rauche nicht mal. Ich komme nur zu Besuch.«
    »Warum sind Sie hier?«
    »Fragen Sie meinen Freund Arkadi. Ich bin sein Schatten. Vielleicht bin ich sein betrunkener Schatten, aber sein Schatten bin ich trotzdem. Also gehe ich nicht.«
    »Ich könnte den Sicherheitsdienst rufen.«
    »Hier gibt es keinen Sicherheitsdienst. Ich hab nachgesehen.«
    »Das ist schändlich. Sie sind zu betrunken, um zu stehen.«
    »Dann stützen Sie mich. Geben Sie mir ein paar Kissen.«
    »Du lieber Gott, was soll denn das sein?«
    »Damit erschießt man Leute. Und die Patronen sind frisch.«
     
    Arkadi kletterte unbeholfen die Leiter hinauf und bemühte sich, keine Steine zu verlieren. Oben auf dem Floß leerte er seine Taschen aus und nahm dann die Steine entgegen, die seine Mutter aus dem Boot heraufreichte. Sie waren größer und zweckmäßiger als seine.
    Sie setzte sich neben ihn auf das langsam kreisende Floß und betrachtete den Zickzackflug der Libellen, die nickenden Rohrkolben, die Beifußsträucher und Weiden, die unter dem pfirsichfarbenen Nachmittagshimmel am Flussufer wucherten. Die Datscha hinter den Fichtenreihen war nicht zu sehen.
    »Das wird nicht bleiben«, sagte sie. »Es ist kein natürlicher Teich. Es wird ein Schlammloch werden, ein stagnierender Sumpf.«
    »Was machen wir mit den Steinen?«
    »Wir behalten sie hier.«
    »Warum?«
    » Wir werden sehen.«
    »Wann?«
    »Du musst Geduld haben.«
    »Ist es eine Überraschung?«
    »Nein, ich glaube, es ist

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